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Was macht die Familie?: Den Winter überstehen

Wie eine Mutter die Stadt erleben kann.

Lieber Winter, ich habe dich bislang nie um etwas gebeten, aber jetzt kann ich nicht anders. Ich habe dieses Wetter satt. Es hängt mir zum Halse raus. Ich will den grauen Himmel nicht mehr sehen und den blöden Schnee auch nicht. Mach dem Spuk bitte, bitte ein Ende.

Dabei kann ich mich – verglichen mit meinen Arbeitskollegen – eigentlich gar nicht beschweren. Für Eltern kleiner Kinder ist der Winter die Hölle. Ich weiß noch, wie das ist, wenn man nachts zum fünften Mal aufsteht, weil sich das leise Wimmern im Kinderbettchen zu lautem Wehklagen gesteigert hat, wenn der Magen-Darm-Infekt von einer Mittelohrentzündung abgelöst wird, aber weder Vater noch Mutter im Büro abkömmlich sind. Dann offenbart das Familienleben seine ganz dunklen Seiten. Und es gibt nur einen Trost: Auch das geht vorbei.

Wir sind, möchte ich behaupten, aus dem Gröbsten heraus. Selbst die Kleine ist jetzt schon zwölf. Neulich waren wir Billard spielen. Meine Freundin, ihre Tochter, meine Tochter und ich. Ein hübsches Quartett, zwei jung gebliebene, dynamische Mütter mit ihren hübschen, heranwachsenden Töchtern – hochkonzentriert im Spiel, zugleich lässig. Leider gelang mir an dem Abend nicht viel. Statt im Loch landeten meine Kugeln an der Bande. Ich schämte mich.

Neulich spielte ich mit meinem Sohn Schach. Früher war das eine leichte Sache. Der Junge hatte andere Dinge im Kopf als französische Eröffnungen oder polnische Rochaden. Ich fegte mit meinen Truppen übers Feld, nach fünf, spätestens zehn Minuten war mein Gegner matt. Doch inzwischen ist der Große 17 und kennt all meine Tricks. Die letzten Spiele habe ich verloren. Auch für die Zukunft sehe ich schwarz.

Da muss man Haltung bewahren. Niederlagen ertragen, erkennen, wann man Jüngeren den Vortritt lassen muss. Das habe ich alles aus dem Fernsehen gelernt, aus der englischen Serie „Downton Abbey“. Ich habe Kriege kommen und gehen sehen, habe mit Verwundeten und Kranken gelitten, Mordprozesse verfolgt, Intrigen, plötzliche Tode und Skandale überstanden. Stunden meines Lebens habe ich derartig persönlichkeitsbildend auf der Couch verbracht, neben mir meine ebenfalls dem englischen Landadel zugetane Tochter, auf der Fensterbank meine schnarchende, schlafende Katze. Ein lohnender Zeitvertreib, denn Staffel eins und zwei dauern viele, viele Stunden. Das hilft über lange Winter und kurze Nächte. Vielleicht nicht jedermann, aber jeder Frau. Heike Jahberg

Im Internet kann man die erste und zweite Staffel von „Downton Abbey“ auf Deutsch bestellen, die dritte nur auf Englisch. Billard-Salons findet man unter www.billard-in-berlin.de

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