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Was macht die Familie?: Dinkelbauern bestaunen

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Eine vom Leben gestählte und dem Fleischverzehr zugetane Kollegin hat kürzlich die Frage in den Raum gestellt, ob eine vegan lebende Mutter eigentlich guten Gewissens ihr Kind stillen dürfe. Weil Milch ja im veganen Leben nicht vorgesehen ist. Da stand sie also, die Frage, und Kollegen kamen herbei, sie hin- und herzuwenden. Das Resultat lässt sich auf ein vages „Ja“ reduzieren. Begründung: Beim Stillen dürfe ja das Einverständnis des Muttertieres angenommen werden, so dass Milch und Moral in diesem Fall miteinander verschmelzen.

Dieselbe Kollegin sprach jüngst aus gegebenem Anlass zu einem ihr nahe sitzenden Insassen im Großraumbüro, dass ältere Männer dazu neigten, mit vollem Mund zu reden. Das war nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte lautet: Sehr junge Frauen tendieren ebenfalls dazu. Meine Tochter Lina kann mit ihren 17 Monaten sogar durch eine quer vors Gesicht gehaltene Frischkäsestulle sprechen. Wenn sie das Brot dann wegnimmt, sind wiederum wir Eltern sprachlos: 30 Prozent des Frischkäses sind gegessen, 60 Prozent haften zwischen Stirn und Kinn. Mit den restlichen zehn Prozent wird die ausrangierte Brotscheibe am Stuhl oder Fußboden fixiert.

Lina ist nicht mäkelig. Sie isst verschiedene Dinge nur unterschiedlich gern. Wenn sie „kocht“, also mit dem Rührlöffel eine leere Schüssel traktiert, kocht sie üblicherweise „Koffeln“ (ihr Kürzel für „Kartoffeln“), „Fleich“ und neuerdings auch „Apfel“. Schlägt man ihr Fisch vor, sagt sie nur beiläufig „Gluck, gluck“, und rührt die Koffeln mit dem Fleich noch inbrünstiger. Mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren muss man einer Anderthalbjährigen nicht kommen. Zumal ja bereits ein einfach ungesättigtes Kind ziemlich ungenießbar sein kann.

Wenn wir Lina zum ordnungsgemäßen Stullenverzehr bewegen wollen, muss die Brotsorte stimmen. Am liebsten mag sie einfache Roggenmischbrote von unserem Schöneberger Lieblingsbäcker. Den hatte ich vor Jahren rein zufällig entdeckt und bleibe ihm auch deshalb treu, weil er kein Bio-Wellness-Brimborium macht und sein Fenster in alter Handwerkermanier mit den Auszeichnungen dekoriert hat, die sein Gebäck bei der Innung gewonnen hat. Einmal deutete die Verkäuferin beiläufig aus dem Fenster auf den Gehweg und sagte: „Da draußen geht gerade unser Brandenburger Dinkelbauer vorbei.“ Nun hoffe ich, dass auch Lina eines Tages einen echten Dinkelbauern zu sehen bekommt. Stefan Jacobs

Solides Handwerksbrot gibt’s in der Bäckerei Seitz, Hochkirchstraße 10 (zwischen den beiden Yorckstraßen- S-Bahnhöfen), Mo-Fr 6.30 bis 18.30 Uhr, samstags bis 13 Uhr.

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