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Was macht die Familie?: Geschenke recyceln

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

An manchen Gaben hat man lange Freude. Linas Weihnachtsgeschenk ist so ein Fall. Sie soll es zu Ostern wieder bekommen: Drei pummelige Wichtel in einem Wägelchen, das Auto, Fluggerät oder Boot sein kann. Wir Eltern hatten es mit Liebe ausgesucht und hätten es am liebsten selbst behalten. Als wir es Heiligabend stolz auf die Spieldecke geschoben haben, hat Lina sich weggerollt und sich dem raschelnden Geschenkpapier ringsum gewidmet. Das restliche Abendprogramm bestritt der Opa, der in der Küche einen Schnipsgummi gefunden hatte, mit dem Lina nun ihre Lieben beschießen konnte. Dazu lachte sie laut und schmutzig.

Nach vollbrachter Bescherung haben wir unsere Wichtelfuhre wieder mit nach Hause genommen und Lina bei den Großeltern gelassen. Premiere! Am nächsten Morgen waren Oma, Opa und Kind gleichermaßen ausgeruht, während wir mangels nächtlicher Ruhestörung in einen komatösen Schlaf gefallen waren, von dem wir uns bis heute nicht ganz berappelt haben. Keine Lina, die morgens um drei nach ihrer Flasche kräht, ab vier an den Bettstäben herumklackert und ab fünf für „Voice of Germany“ übt, während die Jury im Nachbarbett vom baldigen Umzug des Kindes in ein eigenes Zimmer träumt. Der ideale Zeitpunkt dafür ist Gegenstand zahlreicher Erziehungsratgeber und Debatten mit Freunden. Am Ende steht immer die Erkenntnis, dass es keinen idealen Zeitpunkt gibt. Grausam wird es wohl in jedem Fall – für beide Seiten.

Aber die Auswärtsübernachtung soll wegen des großen Erfolges zu Silvester wiederholt werden. Die Großeltern sind bereit für das Experiment, ob Lina bei der Knallerei durchdreht. Es hilft ja nichts, denn mit Parolen wie „Hipp statt Böller“ erreicht man in der Stadt nicht jeden. Apropos Hipp: Lina verschlingt Brei mit großer Begeisterung und erstaunlichem Löffelgeklapper an ihrem einzigen Zahn. Nur Spinat- und Brokkolimischungen mussten wir selber aufessen. Wir haben das akzeptiert, weil Linas Widerwille echt war und nicht Teil eines demonstrativen Gemüseboykotts. Vielleicht ist es pädagogisch falsch, dass wir uns von ihr erziehen lassen statt umgekehrt. Aber das Leben wird noch früh genug hart werden, auch ohne Spinat.

Jetzt hoffen wir auf ein ruhiges Silvester und freuen uns schon, Lina zu Ostern zu beschenken. Falls es wieder nicht gefällt, haben wir gleich was Schönes zu ihrem ersten Geburtstag im Mai. Stefan Jacobs

Investieren Sie in Markenbrei statt in Erziehungsratgeber. Ausnahme, weil gänzlich ohne Kitsch und erhobenen Zeigefinger, ist „Das Baby – Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung“ (Sanssouci Verlag, 12,90 Euro)

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