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Was macht die Familie?: Mehrsprachig spielen

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Der Große unserer drei Jungs hat mal ein Austauschjahr bei einer Familie in Chile verbracht. Das ist schon ein Weilchen her, aber jetzt steht ein Gegenbesuch an. Und weil der Große seit vergangenem Sommer in Holland studiert, liegt die Organisation des altersgemäßen Begleitprogramms an uns. „Ihr schafft das schon“, mailt der Junge aus Den Haag, „die beiden sind total pflegeleicht und bleiben ja auch nur sieben Wochen.“

Die Frau hat die beiden Chilenen erst mal zum Üblichen geschickt. Alexanderplatz, Potsdamer Platz, Brandenburger Tor – alles schön und gut, aber irgendwann reicht’s dann auch. Das Fernsehprogramm ist wegen einer nicht zu leugnenden Sprachbarriere auch keine rechte Alternative. Also schlägt der Mittlere unserer drei Jungs etwas vor, was im Zeitalter von Playstation und Facebook zuletzt ein wenig zu kurz gekommen ist: „Wir könnten doch mal ein Gesellschaftsspiel spielen!“ Und zieht unterm Bett die Schätze seiner Kindheit hervor.

Dazu muss man wissen, dass er uns als Kleinkind stundenlang an den Spieltisch gefesselt hat. Monopoly, die Siedler von Catan und so. Spät erst und mit sehr schlechtem Gewissen haben wir ihm gestanden, dass sich der Spaß- und Spannungsfaktor für uns in doch sehr engen Grenzen hält. Mit dem chilenischen Besuch im Rücken wittert er die Chance auf ein Comeback. Weil der Frau und mir auch nichts Besseres einfällt, können wir schlecht ablehnen.

Kartons voller Brettspiele sind wieder aufgetaucht Es kostet uns einige Mühe, Monopoly und die Siedler von Catan abzuwehren. Wir einigen uns schließlich auf Pictionary, ein Mal-und Ratespiel, es erinnert die Frau und mich ein wenig an die Montagsmaler früher im Fernsehen.

Wir teilen uns in zwei Mannschaften mit je einem Chilenen auf. In den kommenden Stunden füllt fröhliches deutschspanisches Gebrüll das Haus. Ich bin mit bemerkenswert geringem zeichnerischen Talent gesegnet, aber meine chilenische Mitspielerin schafft es fast jedes Mal, mein Gekrakel so zu interpretieren, wie ich es kaum selbst geschafft hätte. Es wird ein großer Abend für mich, und als der Triumph vollendet ist, sind fast vier Stunden vergangen. „Glückwunsch, Papa!“, sagt der Mittlere, „aber du musst uns schon Revanche geben.“ Er habe da schon mal einen Plan ausgearbeitet: Morgen die Siedler von Catan, übermorgen Monopoly, dann noch mal alles von vorn. Sven Goldmann

Pictionary und andere Brettspiele gibt es im gut sortierten Handel, auf Flohmärkten – und unter den Betten groß gewordener Kinder.

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