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Was macht die Familie?: Mühlen erforschen

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Natürlich war früher alles besser und die Schule sowieso. Weil in den Achtzigerjahren jede Klasse knapp 40 Schüler stark war, lernte man bequem jede Menge Leute kennen. Vorn trug der Lehrer vor, und wer dabei einschlief, konnte später beim Nachbarn abschreiben.

Heute ist alles unendlich kompliziert. Methodenvielfalt und individuelle Förderung und so. Der Mittlere meiner drei Jungs etwa hat gerade eine Projektwoche hinter sich. Ein Lehrer und sechs Schüler auf den Spuren einer gar nicht so lange vergangenen Vergangenheit – als Neukölln noch Rixdorf hieß und so etwas wie die Kornkammer von Berlin war. Von früher 26 Windmühlen ist eine übrig geblieben, die Stechansche Mühle am Buckower Damm, wir nennen sie heute Britzer Mühle.

Sechs Tage lang haben der Mittlere und seine Mitschüler die Mühle erforscht, und am siebten nun gedenkt er, keinesfalls zu ruhen. Er geht zum „Tag des offenen Denkmals“, und die Eltern sind natürlich auch in die Britzer Mühle eingeladen. Schon am Eingang treffe ich eine Lehrerin, die zwar ein völlig anderes Fach unterrichtet und doch an ihrem freiem Sonntag vorbeischaut. So etwas hat’s früher auch nicht gegeben.

Die Mühle ist eine Fachwerk-Konstruktion mit engen, steilen Treppen. Ich wage mich hinauf in den ersten Stock, wo der Mittlere gerade vor einer größeren Gruppe über den Unterschied zwischen Holländer- und Bockwindmühlen referiert. So richtig angenehm ist ihm meine Anwesenheit nicht. Voll uncool, wenn die Eltern zuhören, und dann auch noch vor Publikum! Da trifft es sich gut, dass der Müller gerade eine Besuchergruppe auf den schmalen Stiegen ganz nach oben führt. „Wolltest du da nicht schon immer hin, Papa?!“

Also klettere ich den anderen hinterher bis ganz nach oben auf den Dachboden, der Müller spricht fachmännisch von der „Kappe“. Neben mir stößt sich einer den Kopf, und noch ein Stück weiter dreht das Mühlwerk, beängstigend schnell, mit mindestens zehn Windstärken! Da lächelt der Müller milde: „Das ist bestenfalls eine Windstärke, zum Mahlen von Mehl brauchen sie mindestens sechs, dann rotieren die Flügelspitzen mit Tempo 80.“ Das flößt mir noch mehr Respekt ein und ich klettere schnell wieder nach unten.

Als Souvenir kaufe ich frisch gebackenes Mühlenbrot aus dem Steinofen. Am nächsten Wochenende kommen die Kumpels vom Stammtisch, und denen werde ich erzählen, ich hätte das Mehl dazu selbst gemahlen. In der Britzer Mühle, bei Windstärke zehn. Sven Goldmann

Am 3. Oktober gastiert „Die Sendung mit der Maus“ in der Britzer Mühle. Anmeldungen unter info@britzer-muellerverein.de

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