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Was macht die Familie?: Schlafwagen fahren

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Kleine Kinder brauchen nicht viel, heißt es oft. Aber davon etwas mehr, möchte ich nach 15 Monaten und knapp drei Kubikmetern Windeln hinzufügen. Jetzt sind wir aus dem Gröbsten raus, und weil zur Lebensqualität auch Radtouren gehören, haben wir für Lina einen Anhänger gekauft. Gefedert, geräumig, sauteuer. Das Ding heißt „Chariot“, womit im Englischen fast alles vom altägyptischen Streitwagen bis zur Einkaufskarre bezeichnet wird. Zwar werden nicht mehr Pferde oder Kamele vor den Chariot gespannt, sondern ich, aber ansonsten trifft der Name das Einsatzgebiet auch in unserem Fall ganz gut. Wobei es sich um die breitere Version für zwei Kinder handelt, damit auch Linas mitwachsender Spielzeugladen oder ein Gefährte ins Gefährt passt.

Die Abenteuer begannen mit der Abholung in Kreuzberg. Die Autos parkten so platzsparend, dass ich mit dem 80 Zentimeter breiten und drei Meter langen Gespann nicht von der Ladentür auf die Straße kam. Auf dem Gehweg schieben konnte ich auch nicht, weil zwischen Cafétischen und Mülleimern dann kein Platz mehr für Fußgänger blieb. Ich hing also fest wie ein Sattelschlepper in der Sackgasse und kämpfte mich zur Straße durch. Die hat den Vorteil, dass sie breit und nicht so absurd verpollert ist wie viele Radwege. Mit Hänger wird erst der ganze Murks der künstlichen Barrikaden offenbar. Deren Konstruktion kann durchaus Radler von Radwegen fernhalten, weil die Erbauer offenbar glaubten, Fahrräder seien auch in echt so filigran wie die Piktogramme auf den blau-weißen Schildern. Und falls im Boden vieler Radwege eine Botschaft steckt, dann die, lieber die Straße zu nehmen.

Zwar schläft Lina auch im größten Verkehrsgetümmel, solange der Wagen rollt. Aber für einen im doppelten Wortsinn angespannten Radfahrer im Berliner Stadtverkehr verhalten sich Wunsch und Wirklichkeit etwa so zueinander wie der Burger in der Werbung zum real existierenden Gewabbel im Einwickelpapier. Und die wenigen wirklich guten Strecken wie den am Müggelsee haben längst die Rennradler erobert.

Erst 50 Kilometer südlich von Berlin fanden wir ein Terrain, das so schön ist wie unser Radeltraum: Fläming Skate, ein 230 Kilometer langes System aus mittlerweile acht Rundkursen plus Zubringern. Egal was kommt und kreuzt: Das Asphaltband ist immer die oberste Schicht. Wie ein abgerolltes Geschenkband zieht es sich durch Dörfer und über Hügel. Gern würden wir es uns einpacken lassen. Stefan Jacobs

Fläming Skate ist z. B. per Regionalzug über Luckenwalde oder Baruth erreichbar. Karte und Infos: www.flaeming-skate.de

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