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Was macht die Familie?: Windmühlen besichtigen

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Der Große meiner drei Jungs ist ein bisschen zu groß geworden für unser kleines Haus und wird uns demnächst verlassen. Weil Studienplätze in Berlin rar sind für Berliner, zieht er im Herbst nach Holland. Hätte schlimmer kommen können. So wie vor drei Jahren, als er zu einem Schüleraustausch nach Chile geflogen ist. Aber damals war es nur für ein Jahr. Und dieses Mal – für immer …?

Loslassen ist eine komplizierte Angelegenheit und mir schon bei diesem chilenischen Austauschjahr nicht leicht gefallen. Einigermaßen wehmütig habe ihn im Sommer 2010 zum Flughafen nach Frankfurt gebracht. Für so einen Escortservice ist er jetzt natürlich schon viel zu alt. Aber die Idee, in meiner Begleitung schon mal nachzuschauen, was so abgeht beim Tag der offenen Tür am künftigen Studienort Leiden, findet er dann doch ganz gut. Gibt einen vorzeitigen Länderpunkt, denn in Holland war er bisher noch nicht.

Mit dem Flugzeug ist es nicht mal eine Stunde nach Amsterdam und von dort aus zwanzig Minuten mit dem Zug nach Leiden. Das Städtchen ist an einem Samstagvormittag ungefähr so belebt wie der neue Berliner Großflughafen. Zwei verschlafene, aber sehr freundliche Studenten zeigen uns den Weg zur Uni, er führt vorbei an Kanälen und Windmühlen. Wie man sich Holland halt so vorstellt. Auf dem Campus laufen neben reichlich Amerikanern, Franzosen, Engländern und Schweden auch ein paar Holländer rum. Der Große ist hier also nicht der einzige Fremde, das wird Vater und Mutter zu Hause trösten.

Bleibt nur das winzige Problem, dass das künftige Institut unseres Sohnes gar nicht in Leiden liegt, sondern ausgelagert ist nach Den Haag. „Hab ich dir ja gleich gesagt, aber du hörst ja nie zu“, sagt der Große. Den Haag ist zwar nur zehn Bahnminuten entfernt, aber doch eine ganz andere Welt, sie erinnert mich ein bisschen an Berlin. Der Bahnhof ist eine halbe Baustelle (wie unser Flughafen), die Innenstadt besteht aus gläsernen Hochhäusern (wie unsere Stadtplaner den Alexanderplatz gern hätten). Keine Windmühlen, keine Kanäle. Aber jede Menge Radwege und ungewohnt rücksichtsvolle Autofahrer, und das hat nun so überhaupt nichts mit Berlin zu tun.

Zu Fuß ist es nur eine halbe Stunde nach Scheveningen. Wind und Strand und Meer. Eigentlich ganz hübsch, auch ohne Windmühlen und Kanäle. Ich glaube, ich werde öfter mal zu Besuch kommen. Aber das hat natürlich überhaupt nichts damit zu tun, dass ich nicht loslassen kann. Sven Goldmann

Easyjet fliegt täglich von Berlin nach Amsterdam und zurück.

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