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Berlin: Was stinkt, bestimmen wir

Jahresbericht des Europäischen Komitees für Normung: Spürnasen klären für die EU, wie Luft riechen muss

Den Beamten ist nichts zu intim. Alles muss seine Ordnung haben. Auch die weiblichen Kurven. Deshalb gibt es die „Europäische Norm über Brustimplantate“ (EN 12 180). Sie legt alles genau fest: Größen, Material, Haltbarkeit. Zurzeit wird die Norm wegen der zahlreichen Neuentwicklungen überarbeitet – unter Regie des Europäischen Komitees für Normung (CEN). 100 Mitarbeiter vermitteln in Brüssel zwischen Politik und Wirtschaft, damit in Europa nichts dem Zufall überlassen bleibt. Gestern stellte der neue Präsident des Komitees in Berlin den Jahresbericht vor.

Normen müssen sein: Wer einen Kühlschrank kauft, der will, dass er in die Einbauküche passt. Aber wofür braucht man Stinkbeauftragte? EN 13 725 schreibt sie vor. Sie werden ausgebildet, übliche Geruchsanteile in europäischer Luft als „normal“ zu erkennen. Die EU-Kommission hat bereits Interesse an den Spürnasen angemeldet. Wer sich in Zukunft also über eine nahe Mülldeponie beschweren will, der kommt um die Geruchsexperten nicht herum. Ein klarer Erfolg für die Normierer vom CEN. Keine Einigung gab es in den vergangenen Jahren hingegen bei der prEN 14 572, der Norm für „Hochleistungs-Schutzhelme für reiterliche Aktivitäten“. Und so werden auch in Zukunft zwei unterschiedliche Normen regeln, wie Reiterhüte auszusehen haben.

In seinem Kampf für ein geordnetes Europa ist dem CEN kein Gegner zu stark. Das hat auch das organisierte Verbrechen schon zu spüren bekommen. Entstammten einige Türsteher von Sicherheitsfirmen vor Jahren vermutlich noch der Unterwelt, müssen sich die harten Jungs heute erst einer Sachkundeprüfung unterziehen: Psychologie-Kurs, Rechtskurs, Deeskalationskurs inklusive. Außerdem brauchen sie ein polizeiliches Führungszeugnis, bevor sie arbeiten dürfen.

Den Kampf für Rundreisende in Europa, die drei verschiedene Rasierapparate dabei haben müssen, damit unterwegs wenigstens einer in die Steckdose passt, hat das CEN allerdings aufgegeben. Die Umrüstung auf einheitliche Steckdosen in der EU würde mehr als 250 Milliarden Euro kosten. Keine Chance. Aber Reisende werden trotzdem auf ihre Kosten kommen, sagt das CEN. Es will sich Urlaubshotels vorknöpfen und der Frage nachgehen, was genau eigentlich Meerblick ist. Zunächst wird aber erst einmal die EN 12180 (Brustimplantate) überarbeitet. Mehr Blick statt Meerblick?

Juris Lempfert

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