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Berlin: Was wollen sie uns damit sagen?

Mit zahllosen Plakaten kämpfen Berlins Parteien jetzt um Wähler. Werbepsychologe Alexander Schimansky analysierte eine Auswahl

Der Wettkampf kann beginnen. Am Montag hat die Berliner Linkspartei/PDS als letzte große Partei ihre Wahlplakate vorgestellt. 47 Tage lang, bis zum 17. September, buhlen Hunderte Kandidaten und 36 Parteien jetzt um die Aufmerksamkeit und die Stimmen der 2 436 760 Berliner Wahlberechtigten.

Für die Politiker sind die großen, zehntausendfach verteilten Poster und Aufsteller der Weg zu Herz und Kopf der Wähler, so hoffen es die Wahlkämpfer zumindest. Für den Berliner Werbepsychologen Alexander Schimansky sind die Plakate praktisches Studienmaterial, mal mehr mal weniger gelungene Versuche, Kreativität und politisches Anliegen miteinander zu verbinden.

Schimansky arbeitet für das Markenberatungsunternehmen kleinundpläcking, war bis 2005 Gastprofessor an der Universität der Künste und lehrt künftig am Institut für Markenmanagement Potsdam. Ende 2006 erscheint sein neues Buch „Kreativität der Werbung“. Für den Tagesspiegel hat der 38-jährige Werbefachmann eine Auswahl der zentralen Plakatmotive der fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien bewertet. Er sieht Stärken und Schwächen und findet: Es geht besser.

Linkspartei/PDS

Außergewöhnlich: Die Linke verspricht, wie auch CDU und FDP, etwas „für Berlin“ zu tun. Statt konkrete Ziele zu nennen, benutzt sie ein Zitat von Kurt Tucholsky. Das ist ungewöhnlich. Man setzt auf das Pathos der roten Stadt, in der das rote Blut kraftvoll pulsiert. Die Metapher wirkt feierlich, will emotionalisieren. Verbal wie visuell wird die Farbe Rot betont, die mit dem Koalitionspartner SPD verbindet, ohne direkt eine Bündnisaussage treffen zu müssen.

Misslungen: Das Zitat wirkt zu abgehoben. Freigeister und Intellektuelle mag es ansprechen, aber es bleibt unkonkret, da von jeder Programmatik abstrahiert wird. Tucholsky attestiert Berlin lediglich, dass „immerhin“ Bewegung und Kraft vorhanden sei. Mit diesem Understatement wird die aktive Regierungsleistung der PDS relativiert. Statt des Spruchs wäre es besser gewesen, eigene Leistungen herauszustellen. Dass die PDS Mitverantwortung am Geschick von Berlin trägt, ist auf dem Plakat nicht zu erahnen. Wer regiert, sollte mit seinem Erreichten und seinen künftigen Vorhaben werben. Das Plakat wirkt zu passiv und hinterfragt damit die Regierungsfähigkeit der PDS. Das ist kontraproduktiv.

SPD

Bemerkenswert: Die SPD setzt weniger als die bürgerliche Konkurrenz von FDP und CDU auf einen personalisierten Wahlkampf. Sie hat das auch nicht so nötig. Klaus Wowereit kennt jeder in Berlin. Mit dem Regierenden Bürgermeister als Lokalmatador muss die SPD ihren Kandidaten nicht erst bekannt machen und als sympathisch verkaufen. Sie kann auf Programm statt Gesichter setzen. Optisch hat die Partei eine Tonalität gewählt, mit der sie humorvoll auf den sehr eigenen Charme des Berliners eingeht, quasi in sein Herz will. Sie suggeriert: Wir haben den Bürger verstanden. Und die Kernbotschaft signalisiert: Wir sind Berlin, und das am konsequentesten von allen Parteien. Damit es nicht bei der Charmeoffensive alleine bleibt, legt die SPD auch Beweise ihres Tuns vor und kombiniert Gefühl und Verstand: Konsequent den Berliner hopsnehmend, aber auch das konsequente Regieren an Zahlen festmachend. Wer darauf steht, wird das annehmen.

Gewagt: Problematisch bei dem Plakat mit dem Taxifahrer ist, dass die Schere zwischen Text und Bild zu groß werden könnte, so dass der Witz nicht verstanden wird. In diesem Fall bringt ein nicht sehr freundlich und geradezu desinteressiert wirkender Taxifahrer genau die unschönen Seiten Berlins zum Vorschein, und der Betrachter lacht nicht, sondern denkt: Wie wahr. Wenn das riskiert wird, sollte besser der Sympathieträger Wowereit mehr in den Vordergrund treten.

CDU

Ambivalent: Die Berliner CDU führt, wie auch die FDP, einen personalisierten Wahlkampf. Das hat Vorteile, birgt aber auch Risiken. Gesichter sind immer ein wichtiger Aufmerksamkeitsfaktor. Wir Menschen sind evolutionär so entwickelt, dass wir Augen und Gesichtszüge am besten wahrnehmen. Auch helfen Gesichter, Vertrauen zum Kandidaten aufzubauen. Problematisch ist, dass bei Gesichtern oder Personen nach dem ersten Hinguck- und Kennenlern-Effekt eine weitere emotionale Beziehung aufgebaut werden muss. Das bedeutet, Kandidaten werden vom Wähler aufgrund ihres Gesichts nach Sympathie, Antipathie oder Desinteresse beurteilt. Das ist ein riskantes Unterfangen. Angenehm ist, dass die CDU eine positive Botschaft vermittelt, etwas „für Berlin“ verspricht.

Problematisch: Das Motiv der Bauarbeiter, die nach rechts oben zeigen bzw. blicken, erinnert an die Arbeiterromantik der frühen DDR. Für eine Partei, die sich um Modernisierung, Reformen und Aufbruchstimmung bemüht, ist so ein rückwärtsgewandtes, altmodisches Motiv die falsche Wahl. Der Berliner Bauboom, der hier suggeriert wird, war zuletzt in den 90er Jahren ein Thema. Stattdessen hätte man auf Zukunftsbranchen wie Mikroelektronik oder Biotechnologie setzen sollen.

Grüne

Auffällig: Die Grünen werben jugendlich frisch mit Pippi-Langstrumpf-Gesicht, Sommersprossen und Strähnen im Gesicht. Als Einzige heben sie auf die junge Wählerschaft ab. Prägnant für die Wahrnehmung ist das grüne weibliche Auge, das einen wie ein Jaguar zu fixieren scheint, dazu der Ausruf „Bevor Sie rot sehen!“ Die Grünen fahren mit Abstand die aggressivste Kampagne, was natürlich sehr profiliert.

Unbefriedigend: Inhaltlich wandeln die Grünen auf einem schmalen Grat mit diesem Motiv: Sich abzugrenzen, ohne einzugrenzen birgt die Gefahr, dass man selbst nicht für etwas Inhaltliches steht, sondern gewählt werden möchte, um etwas anderes zu vermeiden. Und das wird nicht einmal emotional packend vermittelt: Wer Rot-Rot erlebt und nicht wirklich darunter gelitten hat, der wird nicht trotzig grün wählen.

FDP

Konsequent: Die Unternehmerpartei FDP besinnt sich auf ihre klassische Klientel. Der Slogan, in den sie das verpackt, ist immerhin doppeldeutig: „Mehr Unternehmen!“, aber auch: „Mehr unternehmen!“ Mehr als ein nettes Wortspiel ist das aber nicht. Von der Originalität, wie man sie aus früheren Wahlkämpfen von Günter Rexrodt kannte, keine Spur.

Durchwachsen: Die FDP kommt, wie auch die CDU, trotz ihrer Oppositionsrolle brav und angepasst daher. Aggressivere Töne wie die Grünen könnte sie sich allerdings auch kaum erlauben, denn sie darf ihre strukturell konservative Klientel nicht verschrecken. Abweichung wird nur goutiert, wenn man damit Erfolg hat. Also setzt die Partei darauf, allen bürgerlichen Erwartungen gerecht zu werden und erlaubt sich höchstens mal einen Entrüstungssturm im Wasserglas über Steuererhöhungen oder Ähnliches. lvt

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