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Berlin: Wasser treten

Aquafitness ist gelenkschonendes Ausdauertraining. Eines für alle, sagen Fachleute. Turnen mit Trend zur Massenbewegung

Von Susanne Leimstoll

Es handelt sich um eine heimliche Massenbewegung. Die Teilnehmer, in Berlin müssen es Tausende sein, treffen sich mindestens einmal pro Woche unbemerkt im feuchten Milieu. Rotten sich in Schwimmbädern zusammen. Wühlen das Wasser im Becken auf und haben auch noch Spaß dabei. Turnende Menschen zwischen 15 und 55 machen Aerobic im Bassin: Aquafitness. Nicht Omas Wassergymnastik. Bewegung mit Druck und Tempo. Das Internet nennt unter dem Stichwort etwa 110 Anbieter in Berlin: Bäderbetriebe, Sportvereine, Fitness-Studios. „Wer zu Anfang mutig war, hat solche Kurse eingerichtet. Die anderen ziehen jetzt schleunigst nach“, sagt Sejm Velic, Sportwissenschaftler und Schwimmlehrer bei den Bäderbetrieben. „Mittlerweile gibt es Trainer, die allein davon leben können.“

Da kann man auch an den falschen geraten. An jemand, der sich nach einem Wochenend-Kursus schon „Aquafitness-Instructor“ nennen darf und vielleicht gar nicht genügend darüber weiß, welche Bewegungen was im Körper anrichten können. Leute, die ein bisschen was am Beckenrand vormachen und die Gruppe dann weiter strampeln lassen, während sie ihr Käffchen schlürfen. „Für die schäm’ ich mich irgendwie“, sagt Sejm Velic. Er hat die Trainer-B-Lizenz, die 60 Unterrichtseinheiten voraussetzt. Wer also Aquafitness machen will, sagt er, sollte darauf achten, dass der Vorturner vom Landessportbund und der Landesärztekammer geprüft ist – kenntlich am Siegel „Sport pro Gesundheit“ unter dem Zertifikat. Der Fachmann weiß zum Beispiel, wer in einen Flach- und wer in einen Tiefwasserkurs gehört. Übungen im flachen Wasser trainieren den Stütz- und Bewegungsapparat, die im tiefen Herz und Kreislauf. Ungünstigerweise ist Aquafitness als „primärpräventiv“ eingestuft, was bedeutet, dass es als Sport Krankheiten vorbeugen soll. „Aber in Wirklichkeit haben es fast die Hälfte mit dem Rücken oder dem Knie oder sie sind übergewichtig. Und der größte Teil leidet schlicht unter Bewegungsmangel.“ Da sollte der Trainer intus haben, was ein Lädierter mitmachen darf.

Sejm Velic ist von der engagierten Sorte. Schlaksige 29, blass, sanftäugig, ein Netter, Typ Schwiegermuttertraum. Wenn er aus der Umkleide kommt, sieht er beinahe sportlich-verwegen aus: atmungsaktiver Dress, Seeräuber-Kopftüchlein gegen den Schweiß. Er turnt seine zwei Kurse auf dem Trockenen ohne Pause hintereinander weg, brüllt gegen die Musik an, macht den Komiker am Beckenrand und freut sich, wenn die Leute im Wasser auch Spaß haben. „Sie lassen mich teilhaben an ihrem Erfolg“, sagt er. „Erzählen, dass sie kaum krank werden. Sind super fit und halten diese Fitness über Jahre. Jetzt können sie zum Bus rennen, das klappte vorher nicht.“

Viele strampeln seit sieben Jahren in seinen Kursen. Nicht alle entsprechen der Zielgruppe „körperbewusste Frauen, die wissen, dass sie etwas für die Figur tun müssen“. Aber sie alle schwören auf die Physiotherapie im Hallenbad. Weil sie geselliger ist als eine Bahn nach der anderen zu schwimmen. Weil zwar jeder für sich trainiert, aber jeder auch ein Gruppenerlebnis hat wie beim Aerobic. Weil man sich Aquafitness auch als Nichtschwimmer traut. Weil da vorne ein netter Typ was vorturnt. Weil einem zwar heiß wird, aber keiner so schwitzen muss wie der nette Typ da vorne. Und weil jeder sich nur so weit fordern muss, wie er gerade eben kann. „Hinterher sagt man sich: gut, dass ich hier war“, findet Sejm Velic. Er sagt, Aquafitness sei wirklich was für alle. Kein Fachmann findet sich, der daran was zu mäkeln hätte. Bloß eine Zielgruppe ist noch nicht so richtig entdeckt: die Kinder. Wahrscheinlich ist bisher nur keiner auf die Idee gekommen.

Aquafitnesskurse im Baerwaldbad Kreuzberg, Baerwaldstr. 64-67, geben diverse Trainer. Infos u.a. unter Tel. 26545634 oder sejm@scwelle.de

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