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Berlin: Wassermusik

Der große Auszug aus Mitte ist in vollem Gange. Die Clubszene sucht sich immer neue Nischen. Und hat einmal mehr die Oberbaumbrücke entdeckt, an der Nahtstelle von Friedrichshain und Kreuzberg

Die Eigendynamik in der Clublandschaft folgt keinen Regeln. Lockte zuerst das Karree um die Rosenthaler Straße in Mitte junge Partyveranstalter in verfallene Hinterhöfe, boomte es kurze Zeit später an der Eastside Gallery. Mittlerweile mussten auch dort einige Clubs schließen und die Karawane weiterziehen – diesmal jedoch nicht mehr ans andere Ende der Stadt, sondern in die Nachbarschaft. An der Oberbaumbrücke sind in den vergangenen Monaten neue Ausgeh- Archipele entstanden, die der Clubkultur wieder Leben einhauchen.

Den Anfang machte das Watergate. Direkt an der Spree und vis-à-vis der Universal- Firmen-Zentrale gelegen, erklingt in der neuen Heimstätte für die vormals von Club zu Club wandernden Hard:Edged-Partys ein großes Spektrum elektronischer Musik. Neben Auftritten von Drum´n´Bass-Stars aus England und DJ-Sets aus dem Berliner Sonarkollektiv, sind hier auch Plattenmeister und Gäste aus dem ehemaligen Ostgut untergekommen. So läuft am Sonnabend bis weit nach Mitternacht ruhige Housemusik, die danach in härtere Beats umschwenkt – aufgelegt vom ehemaligen Stammpersonal der Panoramabar.

Szene-Aktivist Steffen Hack, der das Watergate zusammen mit einem Geschäftspartner betreibt, ist nun Unternehmer. „Nach den Spielereien in Off-Locations müssen wir jetzt klare wirtschaftliche Vorgaben einhalten", sagt der 39-Jährige. Das Watergate könne nur dann bestehen, wenn es ein weit gefächertes Programm anbietet und einzigartig bleibt. Mit dem Ausblick auf dem unteren Dancefloor, wo das Gefühl vermittelt wird, im Bauch eines Spreedampfers zu tanzen, könnte das gelingen.

Die Konkurrenz am gegenüber liegenden Spreeufer hat andere finanzielle Möglichkeiten. Der Club 1234 im Universal-Haus wird von der Geschäftsführung der Techno-Altmacht Tresor betrieben und soll höheren Ansprüchen genügen. Vom Eingang auf der Wasserseite führt eine geschwungene Treppe in die erste Etage, wo auf dem roten Dancefloor viel Platz zum Bewegen bleibt. Hier ist nicht nur die Aussicht auf Spree und Wrangelkiez erstklassig, sondern auch der Sound aus den Boxen: Statt eines normalen Lautsprechersystems wurden erstmals in der Stadt so genannte Manga-Schallwandler eingebaut. Das Tinnitus-Pfeifen nach einer Party soll so der Vergangenheit angehören.

Direkt nebenan ist auch das Q3A die Adresse für gut situierte Nachtschwärmer. Auf der großen Terrasse kann man dort den ganzen Tag Sonne tanken, idealerweise vom Liegestuhl aus mit dem Cocktail in der Hand. Das Clubrestaurant, eine Reminiszenz der Betreiber an den gleichnamigen DDR-Wohnungsbautyp, ist mit seiner Einrichtung ganz auf die 70er getrimmt. Am Wochenende kann hier zu House mit Live-Einschüben getanzt werden. Mit einer ähnlich schicken Einrichtung wartet auch die Glühlampe im nahen Rudolfkiez auf, die nach ihrer Verwandlung von der schrulligen Eckkneipe zur eleganten Lounge moderne Zeiten eingeläutet hat. An fünf Tagen in der Woche wird hier vornehmlich Soul und Funk aufgelegt.

Doch nicht überall wurden die Orte aufpoliert. Die Gegend rund um die Oberbaumbrücke bietet noch genügend Räume für Interimslösungen. In der Nachbarschaft zu den aufwendig sanierten Spreespeichern hat die Faktorey am Osthafen Theaterleute, Musiker und Veranstalter zusammengebracht. „Unser Haus nimmt Ideen der Londoner Docks auf“, sagt Frank Burckner, ein Altvorderer des Berliner Off-Theaters. Das heißt auch: In den Clubnächten gibt es Programm, etwa mit Lyrik oder Tanztheater. „Und das Publikum macht das auch mit“, betont Burckner.

Mit einem ähnlichen Konzept wartet am Kreuzberger Spreeufer die Heeresbäckerei auf. Die unteren Geschosse werden hier von der LOOP-Galerie an junge Musiklabels und Partyveranstalter vermietet, die selber an neuartigen Clubformen feilen. „Technogedröhn ohne Konzept hat bei uns keine Chance“, sagt Rüdiger Lange, Chef der Galerie. Denn gerade im Wrangelkiez habe man noch die Möglichkeit, sich kulturell auszutoben. „Für uns war es ein bewusster Schritt, von Mitte hierher zu ziehen“, sagt Lange. Sicher, die Gegend an der Nahtstelle des Doppelbezirks Friedrichshain-Kreuzberg ist von sozialen Problemen belastet. Aber in Langes Augen ist hier ein „künstlerischer Humus“ vorhanden. Gute Voraussetzungen also.

Watergate , Falckensteinstr. 49a, Kreuzberg, Infos: www.water-gate.de

1234 Club , Stralauer Allee 1, Friedrichshain, Fr/ Sa ab 22 Uhr, Tel. 52 007 23 01

Q3A , Stralauer Allee 2, Friedrichshain, Tel. 29 35 29 14, Infos: www.q3a-berlin.de

Zur Glühlampe , Lehmbruckstr. 1, Friedrichshain, tägl. ab 20 Uhr, Tel. 0163-374 28 96

Faktorey , Stralauer Allee 13-16, Friedrichshain, Infos: www.faktorey.de

Heeresbäckerei , Köpenicker Str. 16-17, Kreuzberg, Infos: www.heeresbaeckerei-kultur.de

Henning Kraudzun

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