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Berlin: Weckruf aus dem Wald

Land macht mit heimischem Holz gutes Geld Berlins Förster hätten es gern für mehr Klimaschutz.

Die Berliner Forsten bereiten sich auf den Klimawandel vor, und ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit. „In 50 Jahren werden wir nach bisherigen Prognosen die volle Wucht eines veränderten Klimas mit extremen Wettererscheinungen zu spüren bekommen“, erklärte der Leiter der Berliner Forsten, Elmar Lakenberg, am Mittwoch den Mitgliedern des Umweltausschusses des Abgeordnetenhauses, die zu einer Sitzung in den Grunewald gekommen waren. Damit der Wald seine wichtige regulative Wirkung bei steigenden Temperaturen entfalten kann, muss die derzeit dominierende Kiefernmonokultur dringend zum gesunden und leistungsstarken Mischwald umgewandelt werden. Und Berlins oberster Forstbeamter fürchtet, dass dieses Ziel um 25 Jahre verfehlt werden könnte. „Mit den bisherigen finanziellen Mitteln brauchen wir aber mindestens 75 Jahre, um wenigstens auf der Hälfte der Berliner Waldfläche einen Mischwald wachsen zu lassen.“ Dieser bestehe dann zu je 50 Prozent aus Kiefern und zur anderen Hälfte aus Eichen, Linden, Ulmen, Birken und Buchen. Insgesamt ist fast ein Fünftel des Stadtgebiets bewaldet, zusammen ist die bewaldete Fläche rund 30 000 Hektar groß.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat die Problematik erkannt und stellte für die Anpflanzung von Laubbäumen in diesem Jahr 670 000 Euro bereit. Im kommenden Jahr sind dafür 800 000 Euro vorgesehen. „Wir brauchen aber noch mehr Geld, auch für die fachliche Betreuung der Arbeiten“, erklärte Lakenberg den Abgeordneten. Die Berliner würden in vielen tropischen Sommernächten, die zu erwarten seien, für jede Waldachse in der Stadt dankbar sein. Auch für das Trinkwasser, das zu 80 Prozent aus dem Wald komme, seien Mischwälder von großem Vorteil. In ihnen würden die Böden viel weniger stark austrocknen und den Grundwasserspiegel nicht dramatisch absinken lassen.

Bedenken mehrerer Abgeordneter, dass der Eichenprozessionsspinner sich mehr und mehr ausdehne, teilte der Chef der Berliner Forsten nicht. „Durch diese Insekten stirbt keine Eiche. Nur wir Menschen müssen uns davor in Acht nehmen.“ In einem gesunden, ökologisch ausgewogenen Wald wisse sich die Natur auch gegen Schädlinge selbst zu helfen.

Am meisten leiden die Bäume nach wie vor unter dem Autoverkehr. Dessen Stickstoffemissionen führen zu Schäden an zwei Dritteln aller Bäume. In den letzten Jahren gab es dabei keine deutlichen Verbesserungen, obwohl die Industrieabgase erheblich zurückgegangen sind.

Zu einem gesunden Wald gehört auch eine intakte Tierwelt. Dank der letzten drei Winter hat sich die Wildschweinpopulation von selbst reduziert. „Leider gibt es gerade im Grunewald viele Menschen, die aus falsch verstandener Tierliebe die Wildschweine füttern“, sagte Elmar Lakenberg. „Die bezahlen sogar ihr Bußgeld oder akzeptieren einen gerichtlichen Strafbefehl, um dann gleich wieder ihr Werk fortzusetzen.“ Durch die Fütterung würden die Wildschweine jegliche Scheu vor den Menschen verlieren. Auch zu Beißattacken auf Spaziergänger sei es deshalb schon gekommen. Die Vorsitzende des Berliner Landesverbandes des Naturschutzbundes, Anja Sorges, appellierte an Waldbesucher, keine verletzten Tiere am Wegesrand aufzunehmen und im Auto in eine Tierklinik zu bringen. „Die Qualen der Tiere werden dadurch nur verstärkt“, sagte Jorges. „Besser ist es, den Förster zu verständigen.“

Mischwälder nützen auch dem Berliner Haushalt. Laubhölzer erzielen höhere Preise als Kiefern. Im vergangenen Jahr wurden aus dem Holzverkauf Einnahmen von 2,5 Millionen Euro erzielt, 2003 waren es nur 730 000 Euro. Diese Entwicklung lag aber fast ausschließlich an den gestiegenen Holzpreisen auf dem Weltmarkt. Claus-Dieter Steyer

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