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Berlin: Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen

Institutionen des alten West-Berlin verschwinden. Sie sind überaltert – und sie kosten zu viel Geld

Erst der Flughafen Tempelhof, dann die Deutschlandhalle, jüngst der Bahnhof Zoo und das Internationale Congress Centrum (ICC): Die wichtigen Symbole des einstigen West-Berlin sind schon bedeutungslos geworden oder sie werden es. Jetzt will die Bahn auch noch den Busbahnhof von Charlottenburg nach Mitte verlegen. „Ich glaube, dass mit der Geschichte West-Berlins ausgesprochen ruppig umgegangen wird“, sagt der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU).

„Geschichte geht verloren, keine Frage“, meint Senatssprecher Michael Donnermeyer (SPD). Man wisse von den Emotionen in der Bevölkerung, „aber irgendwann müssten Symbole auch bezahlt werden“. Und dafür fehlt das Geld.

Diepgen kritisiert „die Bereitschaft, alles was vermeintlich doppelt in der Stadt vorhanden ist, im Westteil zu schleifen“. Er spricht von der „Arroganz“, die gerade Neuberliner dem alten Westen der Stadt entgegenbrächten. Die Deutschlandhalle freilich, deren Abbruch höchst umstritten ist, hat Diepgen zu seiner Amtszeit selbst abreißen wollen. Darüber möchte er sich heute nicht weiter äußern. Dass die Bahn den Bahnhof Zoo vom Fernverkehr abkoppeln will, erbost ihn allerdings. Derzeit werde fahrlässig die früher mit der Bahn abgestimmte Planung aufgegeben. Und beim vermeintlich unwirtschaftlichen ICC komme ein nächstes Gutachten bestimmt zu anderen Ergebnissen.

Der frühere Landeskonservator Helmut Engel warnt vor dem Abriss beider Bauten. Die Deutschlandhalle gehöre zur Stadtgeschichte und stehe unter Denkmalschutz. Die wahre Bedeutung des ICC werde man erst noch erkennen.

„Wir sollten Bauwerke nicht nur vom Kostenfaktor her betrachten“, sagt Uwe Stäglin (SPD), Baustadtrat von Steglitz-Zehlendorf. Es gehe auch um die Symbolkraft und den Einfluss auf das Stadtbild. Es dürfe nicht immer gleich nach Abriss gerufen werden. Der Osten der Stadt habe diese Welle nach der Wende erleben müssen. Stäglin hat in seinem Bezirk mit dem Kreisel nicht nur eines der höchsten Häuser Berlins, sondern auch ein Symbol für einen der größten Bauskandale der Stadt. Der Finanzsenator will das asbestbelastete Rathaus abreißen.

Gefährdet war das einst weltberühmte Rathaus Schöneberg nie. „Das Rathaus hat keinen Bedeutungsverlust erlitten“, glaubt Baustadtrat Gerhard Lawrentz (CDU), „nur einen Funktionsverlust. Es hat Symbolkraft nach wie vor.“ In älteren West-Berlinern weckt es nostalgische Gefühle: Regelmäßig gibt es Anrufe, wenn die Freiheitsglocke mal nicht erklingt oder die Uhren stehen geblieben sind. Das Haus wirkt über zehn Jahre nach dem Auszug von Senat und Abgeordnetenhaus wie ein zu großer Anzug für das Bezirksamt. Doch es gibt Tagungen, Führungen auf den Spuren des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, der vom Rathaus aus 1963 zu den Berlinern sprach. Damals war übrigens der seit Jahren heruntergekommene Schöneberger „Prälat“, nur ein paar Schritte entfernt, noch eine Veranstaltungs-Institution.

Viele West-Berliner sehen mit Nostalgie im Blick auf weitere Gebäude, die eine große Rolle in der Nachkriegsgeschichte der Stadt spielten: Auf das Schiller-Theater, das nach der Wende dicht gemacht wurde und noch immer auf eine richtige Aufgabe wartet. Sie fürchten, dass Dahlem seine kulturelle Bedeutung verliert, wenn die berühmten Museen nach Mitte umziehen: etwa in den Schloss-Neubau, in dem möglicherweise auch einmal die Amerika-Gedenkbibliothek Platz finden soll.

Christian van Lessen

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