zum Hauptinhalt

Berlin: Wegen Hartz IV in die Arbeitslosigkeit

In einer Kreuzberger Wäscherei sollen sozial benachteiligte Frauen fit gemacht werden für neue Jobs. Das Projekt läuft vorbildlich, trotzdem droht das Aus

Rita Spanner ist eine energische Frau. Deswegen hat es die zierliche Mittfünfzigerin in den vergangenen Jahren immer irgendwie geschafft, Fördergelder für ihre Kreuzberger Wäscherei zu bekommen. Ein paar Mal ist es schon passiert, dass sie nicht wusste, ob es weitergeht. „Aber so eng wie jetzt war es noch nicht“, sagt sie. Die Wäscherei steht vor dem Aus, wenn Rita Spanner nicht bald eine Anschlussförderung auftut. Dann endet, was sich sechs Jahre lang bewährt hat und vor drei Jahren vom Bundespräsidenten mit einer Auszeichnung bedacht wurde. Der Grund: Das Vorzeige-Projekt verstößt gegen die Regeln der Arbeitsmarktreform Hartz IV.

Die Wäscherei nämlich ist kein Privatbetrieb, sondern eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme des Sozialamts: 15 Frauen arbeiten dort im Schichtbetrieb; Aussiedlerinnen, Migrantinnen, Sozialhilfeempfängerinnen. Sie arbeiten in der Wäscherei, der Schneiderei, machen die Kasse und erledigen Verwaltung und Lieferservice. Die harte Arbeit soll die Frauen beruflich fit machen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben.

Da wäre zum Beispiel Mandy Neicke, 30, zur Zahnarzthelferin ausgebildet, später selbstständig. Sie hat mit ihrem Bruder auf Märkten Mützen, Schals und T-Shirts verkauft. Dann war auch sie arbeitslos. Sie und rund 70 andere Frauen unterschiedlichen Alters hatten seit 1999 zwei Jahre lang eine Aufgabe, Acht-Stunden-Tage und bekamen dafür am Monatsende um die 850 Euro raus. Mandy Neickes Vertrag läuft demnächst aus, sie geht mit einem Zertifikat. Denn in den Monaten ihrer Anstellung müssen die Frauen immer wieder Prüfungen ablegen: Wäsche- und Reinigungskunde. Bügeln, Mangeln, Fleckenentfernung. Änderungsschneidern.

Hanna Retta-Zelekes Ausbildung wird deutlich kürzer sein. Die Äthiopierin, 27, gelernte Schneiderin, ist eine der ersten, die nur einen neunmonatigen Vertrag hat – eine Folge von Hartz IV. So hat sie keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld I. Sie sagt: „Vor allem wäre es schade, wenn andere nicht die Chance bekämen, die wir bekommen haben.“

Die Hälfte ihrer Kosten erwirtschaftet die Wäscherei selbst. Es fehlen 5000 Euro. Anlass für grundsätzliche Fragen: Was will die Politik, was wollen die Jobcenter? Denn die Wäscherei am Moritzplatz ist nicht die einzige Einrichtung in Berlin, die von der Politik gelobt wird – und der trotzdem das Aus droht. So erging es auch dem Jobpoint Neukölln. Die erfolgreiche private Arbeitsvermittlung wurde im Frühjahr in letzter Minute mit Fördergeldern gerettet, nachdem die Medien berichtet hatten.

Marc Neller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false