zum Hauptinhalt
Zapfenstreich: Wintereinsätze wie dieser sollen in Zukunft nicht mehr an der Feuerwehr hängen bleiben.

© picture alliance / dpa

Wegen Überlastung: Feuerwehr will kein Eis mehr beseitigen

112-Anrufer werden künftig an Handwerksbetriebe verwiesen – eine Lehre aus dem Jahrhundertwinter. Rechnungen für Einsätze werden seit zehn Monaten nicht mehr geschrieben.

Nach zwei harten Wintern will die Feuerwehr nun die Zahl ihrer Einsätze gegen Eis und Schnee drastisch reduzieren. Die Leitstelle wird künftig Anrufer beim Notruf „112“ auf Privatfirmen verweisen, die Schneewehen vom Dach holen oder Eiszapfen vom Sims schlagen soll. Auf der Internetseite der Feuerwehr wurde jetzt eine Liste von 16 Firmen freigeschaltet – überwiegend Dachdecker, aber auch eine Baumpflegefirma und ein Hebebühnenverleih. Eigentümer von Wohnanlagen, so heißt es auf der Internetseite der Behörde, „haben dafür zu sorgen, dass Gefahren unter Zuhilfenahme kommerzieller Anbieter beseitigt werden“. Nur bei akuter Gefahr werde man noch ausrücken.

Alle diese Firmen haben sich auf eine Ausschreibung im Amtsblatt von Berlin gemeldet. Billiger für den Hauseigentümer seien die Privatfirmen außerdem, pries ein Behördensprecher den Versuch, die eigenen Kräfte für akute Rettungseinsätze zu schonen. Ob sich das Vorhaben in der Praxis bewährt, bleibt abzuwarten. Die Handwerksbranche sei durch die gute Konjunktur am Bau ebenfalls stark ausgelastet. Ein alteingesessener Dachdeckermeister zeigte sich am Freitag skeptisch, ob Privatfirmen so prompt wie die Feuerwehr reagieren können. „Ein, zwei Tage müssen sie garantiert auf eine Firma warten.“ Zudem hätten Betriebe längst nicht so leistungsfähige Geräte wie die Feuerwehr. Ein privater Hubsteiger könne nicht das, was eine millionenteure Drehleiter mit Arbeitskorb leiste, sagte der Experte. Vorsichtshalber weist die Feuerwehr darauf hin, dass sie „keine Gewähr für die angebotene Leistung dieser Anbieter“ übernehme.

Im den letzten beiden Wintern hatte die Feuerwehr mehrfach den Ausnahmezustand ausrufen müssen, weil die Zahl der Einsätze nicht mehr zu bewältigen war. Ausnahmezustand bedeutet: Freiwillige und Jugendfeuerwehren werden eingesetzt, Unwichtiges bleibt liegen. 4000 Wintereinsätze waren es im Januar und Februar 2010, an Spitzentagen bis zu 400. Da an besonders glatten oder eisigen Tagen die Feuerwehr durch Unfälle ohnehin stark belastet ist, mussten die Helfer an manchen Tagen kapitulieren – Gehwege wurden abgesperrt, weil keine Drehleiter verfügbar war, um Eiszapfen von der Dachrinne zu schlagen. Die Gewerkschaft findet den Einsatz von Privatfirmen richtig. „Eine Drehleiter ist für die Menschenrettung da“, sagte Klaus Krzizanowski von der Gewerkschaft der Polizei, die auch die Interessen der knapp 4000 Feuerwehrleute vertritt.

Die Überlastung bei den Wintereinsätzen setzte sich in der Gebührenstelle der Feuerwehr fort. Noch immer sind dem Vernehmen nach nicht alle Rechnungen aus dem vergangenen Jahrhundertwinter geschrieben.  Von den 4000 Einsätzen waren 2598 kostenpflichtig. Es geht um viel Geld. Setzt man durchschnittlich 500 Euro an, würden diese 2598 Wintereinsätze 1,3 Millionen Euro bringen. Einnahmeausfälle seien jedoch nicht zu erwarten, hieß es, da Forderungen erst nach drei Jahren verjähren.

Seit zehn Monaten schreibt die Feuerwehr allerdings gar keine neuen Rechnungen – als Folge eines Gerichtsurteils. Denn im Februar hatte das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz geurteilt, dass die Einsatz-Rechnungen zu pauschal und deshalb nichtig seien. Als Mindestgebühr wurde pro Fahrzeug eine Stunde angesetzt – auch wenn die konkrete Hilfeleistung nur Minuten dauerte. Geklagt hatten zwei Autofahrer, die Feuerwehr-Rechnungen für überhöht hielten.

Die Feuerwehr hofft, dass der Senat Anfang 2012 die neue Gebührenordnung verabschieden wird, die eine minutengenaue Abrechnung der Einsätze vorsieht. Geld gehe dem Land durch die vermutlich einjährige Zwangspause aber nicht verloren, hieß es. „Wenn die neue Gebührenordnung in Kraft tritt, schreiben wir 10 000 Rechnungen von 2011 auf einmal“, versprach ein Behördensprecher.

Erst seit 2004 verlangt die Feuerwehr für technische Hilfe Geld. Das Auspumpen von Kellern kostet, ebenso wie die Rettung der Katze aus der Baumkrone oder das Schneeschippen auf dem Flachdach. Neben den Wintereinsätzen sollen zunächst keine weiteren Leistungen privatisiert werden, hieß es.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false