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Nach mehr als 50 Jahren geht in Deutschland die Ära der Wehrpflicht zu Ende. Am 3. Januar 2011 treten die vorerst letzten Rekruten ihren Pflicht-Wehrdienst an.

© dapd

Wehrdienst: Was die Bundeswehrreform für die Region bedeutet

Die letzte Generation Wehrpflichtige zieht in die Kasernen ein. "Danach wird es für uns eng werden", prophezeit der Standortkommandeur. Die betroffenen Kommunen befürchten Einbußen.

Berlin - Dass ein Umbruch bevorsteht, sieht man dieser Tage sogar, wenn man zu McDonald’s geht. Dort laufen auf Fernsehschirmen zwischen Musikvideos Werbeclips für die Bundeswehr. Die Truppe sorgt sich um den Nachwuchs: Sie steht vor der größten Neuordnung ihrer Geschichte, die vor mehr als 50 Jahren eingeführte Wehrpflicht wird im Sommer ausgesetzt. Am heutigen Montag tritt daher die letzte Generation von Wehrpflichtigen den sechsmonatigen Grundwehrdienst an, beim Standortkommando Berlin sind das 600 junge Männer.

In der Julius-Leber-Kaserne in Wedding, der größten in Berlin, laufen zwar keine Werbevideos, aber im Gespräch mit Brigadegeneral Peter Braunstein, dem Kommandeur des Standortes Berlin, wird schnell deutlich, dass sich hier bald einiges ändern wird. „Es wird eine schwierige Phase für uns, bis die Nachwuchsgewinnung erfolgreich angelaufen ist“, sagt der 53-Jährige beim Rundgang über das weitläufige Gelände von den Ausmaßen einer Kleinstadt. Zwischendurch grüßt er vereinzelte Zeitsoldaten, die zwischen den Jahren Dienst schieben, Wehrdienstleistende trifft der Besucher hier nicht an – ein Vorgeschmack auf die anstehenden Veränderungen. 7000 Mitarbeiter hat die Bundeswehr in Berlin insgesamt, etwa jeder siebte ist derzeit Wehrdienstleistender. „Es wird im Alltag für uns eng werden“, prophezeit Braunstein. Vor allem dem in Wedding stationierten Wachbataillon, dem größten der Bundeswehr mit derzeit knapp 2000 Mann, stehen einschneidende Veränderungen bevor: Der durch das jährliche Rekrutengelöbnis und medienwirksame Einsätze mit politischer Prominenz bekannte Verband besteht derzeit zu 70 Prozent aus Wehrpflichtigen. Diesem Bataillon droht die größte Schrumpfkur: Anfang 2011, so die Prognose des Generals, wird die Zahl der Wehrpflichtigen im Wachbataillon auf 1300 reduziert, bis zum Sommer könnte dann nach jetziger Berechnung die Mannschaftsstärke – dann nur noch Freiwillige und Zeitsoldaten – auf bis zu 540 Soldaten sinken, auf ein Viertel der bisherigen Größe.

Raum für Ideen. Peter Braunstein – hier in der Kantine der Julius-Leber-Kaserne – ist Berlins ranghöchster Soldat.
Raum für Ideen. Peter Braunstein – hier in der Kantine der Julius-Leber-Kaserne – ist Berlins ranghöchster Soldat.

© Kitty Kleist-Heinrich

Mit der Personalstärke könnte sich der Verband Einsätze im bisherigen Umfang nicht mehr leisten. Ob es so weit kommt, hängt allerdings von unvorhersehbaren Faktoren ab: „Wir werden sehen, wie viele Grundwehrdienstleistende wir gewinnen können, freiwillig länger zu dienen oder Zeitsoldaten zu werden“, sagt Braunstein. „Das hängt auch davon ab, wie erfolgreich unsere Offiziere und Unteroffiziere den Soldaten deutlich machen, dass eine längerfristige Tätigkeit bei der Bundeswehr eine Berufsperspektive für sie ist.“ Auch ist offen, wie sich der Frauenanteil entwickelt. Manche bisher nicht zugängliche Bereiche, so die Protokolleinheit des Wachbataillons, wurden kürzlich für Soldatinnen geöffnet – „Bewerbungen gibt es hierfür aber noch nicht“, sagt der General.

Während in Brandenburg und anderen Bundesländern die Angst umgeht, dass im Zuge der Bundeswehrreform ganze Kasernen geschlossen werden und den Kommunen wirtschaftliche Einbußen bevorstehen, „braucht sich Berlin aber keine Sorgen um die Zukunft des Standortes zu machen“, beruhigt Braunstein: Alle Berliner Kasernen blieben erhalten, es ändere sich lediglich ihre Nutzung. Wo am heutigen Montag die letzte Generation der Wehrdienstleistenden Uniformen anprobiert, Stuben bezieht und die Grundausbildung beginnt, werden künftig professionelle Zeitsoldaten arbeiten – mit anderen Bedürfnissen: So werden in der Julius-Leber-Kaserne derzeit die alten Stuben für sechs bis acht Mann zu Schlafräumen für je zwei Personen umgebaut.

Was durch die Reform genau auf die Region zukommt und welche Brandenburger Standorte geschlossen werden, soll bis diesen Sommer feststehen: Bis dahin will die Bundeswehr entscheiden, wie die Berufssoldaten auf die Standorte verteilt werden sollen.

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