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Betta mit Lametta. Desirée Nick beherrscht den Spagat zwischen Trash und Hochkultur.

© imago/Thomas Lebie

Weihnachtsshow von Desirée Nick: Die Thesen des Tischfeuerwerks

Theologin, Komödiantin, Dschungelcamperin, Volksschauspielerin: Desirée Nick erklärt in ihrer Weihnachtsshow am Ku’damm die Welt.

Wenn es darum geht, Weihnachten ernst zu nehmen, lässt sich Desiree Nick von niemandem übertreffen. Ihr diesjähriges Spezialprogramm trägt zwar den leichtfüßigen Titel „I feel betta with lametta“, und der Pressetext verspricht, nun ja, sehr Diesseitiges, es dürfe „georgelt werden, bis der Sack vom Weihnachtsmann platzt“ – das muss also anzüglich heiter werden um jeden Preis. Aber dann sitzt die Komödiantin und Volksschauspielerin ganz pikiert da und greift weit zurück in ihre Zeit als studierte katholische Theologin: „Ich habe in der Weihnachtsshow dem Publikum immer Religionsunterricht erteilt!“

Bitte, da müssen wir jetzt etwas weiter ausholen. Theologie und Desirée Nick, das ist eben nicht wie mit ehemaligen Maoisten, die heute in leitender Funktion den kapitalistischen Staat stabilisieren. Sondern Kontinuität im Hier und Vorgestern. Und für Weihnachten bedeutet das eben, ach, sie erläutert es mit diesem Bild: „Wenn sie jemanden auf der Bühne spielen wollen, der nicht Rollschuhfahren kann, dann müssen sie erst mal Rollschuhfahren lernen, sonst geht das gar nicht.“ Und bei ihr geht das eben, gelernt ist gelernt, die Sätze rollen gefällig daher mit Punkt und Komma, immer ein wenig auf dem schmalen Grat zwischen Sonntagsschule und Dschungelcamp: „Ich habe immer die Bandbreite der Kinder Gottes im Blick und bin nicht unbedingt ein Produkt der Spaßkultur.“ Und das vom selbsternannten „It-Girl der Geriatrie“?

20 amerikanische Weihnachtslieder

Immer noch nicht klar? „Es macht sich eine lustig, die sehr genau darüber Bescheid weiß, das ist nämlich das Entscheidende“, erläutert sie weiter, „im zweiten Teil wird dann auch gerne eine Träne verdrückt, denn es geht um die Gefühle, die gemütvollen Momente, die wir zu Weihnachten suchen und darum, dass wir uns alle wünschen an etwas glauben zu können.“ Der zweite Teil, verspricht sie, enthalte dann auch 20 amerikanische Weihnachtslieder, denn, ganz im Ernst, Weihnachten bedeute ja „mehr, als sich die Brückentage zusammen zu klauben, damit man eine Woche Urlaub rausschindet“.

Gut, lassen wir sie kurz ein wenig schweigen, um den aktuellen Stand in Sachen Desiree-Nick-Rezeption zu rekapitulieren (man redet nach Kontakt mit ihr selbst automatisch ein wenig gestelzt, das färbt enorm ab). Am ersten Weihnachtsfeiertag startet sie im Theater am Kurfürstendamm die Lametta-Show, das geht bis Silvester. Außerdem ist sie ab dem heutigen Sonntag in der Komischen Oper als Zirkusdirektorin Stanislawski in Emmerich Kalmans „Zirkusprinzessin“ zu sehen, eine Rolle, die ihr jemand anderes unbekannterweise auf den Leib geschrieben hat; das nächste Projekt ist schon in Arbeit, „Bette und Joan“ mit Manon Straché auf der Bühne des Hamburger Ernst-Deutsch-Theaters.

Eine echte Nick-Show

Sie betont diesen ernsten Aspekt ihrer Arbeit immer gern besonders, um dann umso erboster über den Einwand herzufallen, das habe ja ü-ber-haupt nichts gemein mit ihren Auftritten in notorisch flachsinnigen TV Shows…. „Diese Shows sind Popkultur“, faucht sie, „wie kann man Shows, die in so vielen Ländern laufen und Welterfolge sind, so abtun? Den Leuten, die damals zusammengekommen sind mit Zettel und Bleistift und gesagt haben, wir denken uns mal was aus, denen kann man doch nur gratulieren, alles andere ist antiquiertes Denken….“

Das hat man nun davon, wenn man das Dschungelcamp gewonnen und auch beim Promi-Dinner, bei der Promi-Shopping-Queen und vermutlich weiteren dieser Shows gepflegt und quotenträchtig rumgezickt hat, dann muss man ein wenig kämpfen, um nicht in der Schublade zu verschwinden.

Aber kehren wir lieber zum Fest und dessen Eigentümlichkeiten zurück. Was macht eine echte Nick-Show aus? „Das Schöne ist ja auch der ständige Wechsel zwischen Besinnlichkeit und Satire, dass die Leute wie auf einer Achterbahnfahrt von überbordendem Frohsinn zurückgeführt werden in die Gefühlswelt, die wir mit Weihnachten verbinden.“ Wie funktioniert das, wie gestaltet man solche rabiaten Übergänge? „Das geht nur, wenn man eine Künstlerin ist und so ein komödiantisches Spezialtalent hat.“ Nein, lassen Sie beim Lesen einfach den ironischen Unterton weg, da war im Original auch keiner. Desireé Nick ist talentiert für das, was sie tut, sie weiß das, die Zuschauer wissen es, und sie weiß, dass… „Ich bin ja eigentlich die letzte lebende Volksschauspielerin“, analysiert sie kühl, „weil ich eine Strahlkraft habe, die die Menschen durch alle Klassen erreicht, und den Spagat zwischen Trash und Hochkultur beherrsche.“

Kulinarische Programm bleibt bescheiden

Zack. Irgendwie schafft sie es immer, den Reporter sogar beim Schreiben von Weihnachten abzubringen. Also: wie sieht ein Nick-Fest aus? In diesem Jahr, das liegt nahe, ist die Zeit ziemlich knapp. Heiligabend im engsten, ach was, allerengsten Familienkreise, zu dem sicher auch ihr 18-jähriger Sohn Oscar gehört, der sonst in einem englischen Internat lebt.

Das kulinarische Programm bleibt bescheiden, es gibt Bockwurst mit Kartoffelsalat. Wenngleich: Die großen Gelage hat sie eben vorverlegt, Klaus Wowereit und Guido Maria Kretschmer waren zur Pute eingeladen nach Falkensee am ersten Advent, aber darüber weiter kein Wort, „bei mir suchen die Promis der Stadt alle Zuflucht, weil sie bei mir sein können, wie sie sind, und nichts nach draußen dringt.“ Falkensee? Ist das nicht arg exotisch für eine Stadtpflanze wie sie? Das Landleben, sagt sie, gefällt ihr, „weil ich so jeden Tag aus der Ruhe komme und in die Ruhe zurück darf“. Außerdem habe sie ja bis zum Vorjahr immer in der City gelebt, zuletzt am Gendarmenmarkt, aufgewachsen in der Leibnizstraße.

"Das Tischfeuerwerk bin ich"

Was erwartet uns also zwischen den Jahren? Die Weihnachtsgeschichte, modern und auf berlinerisch, steht auf dem Pressezettel. „Nie war das Mysterium der Heiligen Nacht begreifbarer!“ Wir hatten schon geklärt, dass das völlig ernst gemeint ist, es drohe ein „gigantischer Spagat zwischen Theologie, Hochkultur und Frohsinn“, sagt sie, „das Tischfeuerwerk bin ich.“

800 Leute passen rein ins Kudamm-Theater, und sie sollen hinterher sagen, was die Protagonistin am liebsten hört: „Ich kenn sie ja aus dem Fernsehen, aber mit so was Großartigem habe ich gar nicht gerechnet.“ Wer mag, kann auch mehrmals kommen, denn jeder Abend sei anders, „jedes Publikum kriegt die Show, die es verdient hat“. Aber dass jedes Publikum sie selbst verdient hat – daran kennt die Entertainerin absolut keinen Zweifel.

„I feel betta with Lametta“, 25.-31.12., Theater am Ku’damm, Kurfürstendamm 206/209, Charlottenburg, Karten ab 28 Euro. „Die Zirkusprinzessin“, Komische Oper, Behrenstraße 55-57, Mitte, Karten ab 12 Euro.

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