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Berlin: Wein des Monats: 1999er Scheurebe Kabinett

Na, das war schon wunderlich. Eine Blindverkostung verschiedener Weine aus der Sauvignon blanc.

Na, das war schon wunderlich. Eine Blindverkostung verschiedener Weine aus der Sauvignon blanc. Herrlich! Dieser Schliff! Diese typische Aromatik! Kann nur von Didier Dagueneau sein, nicht wahr, oder von Manfred Tement, und der hier von Cloudy Bay. Bitte? Woher? Was? Welche Rebsorte?

Ja, diese Probe hat es jüngst gegeben, und der hinterlistig eingeschmuggelte "Pirat", der den zweiten Platz belegte, war kein Sauvignon blanc und kam aus, ähm, Sachsen: die 1999er Scheurebe Kabinett von Schloss Proschwitz. Dieser Weißwein dürfte den endgültigen Aufstieg des Meißener Weinguts in die deutsche Spitze besiegeln - eine wichtige Etappe am Weg von Georg Prinz zur Lippe, dem Besitzer des Guts. Die haarsträubende Geschichte dieses wahren Pioniers, der das nach dem Krieg entschädigungslos enteignete Familiengut 1990 erwarb und dann aus dem Münchener Penthouse erst einmal für eine Weile in einen halb verfallenen Schuppen wechselte, ist oft - auch hier - erzählt worden. Lob gab es reichlich, die verdiente Aufnahme in den Verband der Prädikatsweingüter ebenfalls, doch das Happy End fehlte bislang: Ein Wein, der nicht nur die übliche Anerkennung nach dem Motto erntete, er sei für den Osten schon recht gut (und/oder leider haarsträubend teuer).

Da ist er nun: ein Wunder. Es dauerte Jahre, um die Technik auf neuesten Stand zu bringen, immer wieder brachten katastrophale Mini-Ernten die Finanzplanung zum Zusammenbruch, und auch das richtige Personal musste erst gefunden und dann eingearbeitet werden. 1996 kam Martin Schwarz nach Proschwitz, ein junger, hoch begabter Kellermeister, der bei besten Adressen - Heger am Kaiserstuhl, Künstler im Rheingau - gelernt hat und bald mit Weinen Aufsehen erregte, die es in Sachsen noch nicht gegeben hatte, Eiswein beispielsweise oder opulenter Spätburgunder; Einzelleistungen, denen nun die in größeren Mengen verfügbaren trockenen Weißweine folgen. Das Gut mit dem mediengewandten, auf Galas jeder Art brillierenden Chef und dem schweigsamen Önologen scheint jetzt ideal zu funktionieren und ist gerüstet, in Sachsen jene Vorbildrolle zu erfüllen, die ihm wegen des Namens und der hervorragenden Lagen von Anfang an automatisch zugefallen war.

Die 99er Scheurebe rehabilitiert einmal mehr diese Sorte, die in den Händen schlechter Kellermeister oft zu penetrant gerät und deshalb in der Exotenecke gelandet ist. Denn davon kann hier keine Rede sein. Der Wein lässt den tiefgründigen, von rotem Granit geprägten Lößboden dieser Lage mit einem feinen mineralischen Nachhall perfekt zum Ausdruck kommen. Die filigrane, geradezu transparente Aromenfülle erinnert an Quitten und Nektarinen, und die schmelzige, fruchtige Art verdrängt jede Erinnerung an die mageren Säuerlinge, die noch vor wenigen Jahren typisch waren für das Anbaugebiet. Gewiss: 23,90 Mark sind für einen deutschen Kabinett-Wein teuer. Für einen Pouilly-Fumé der Spitzenklasse - den Vergleich drängt nicht nur die eingangs geschilderte Blindprobe auf - ist es halb geschenkt. Zu haben ist der Wein bei Baumgart & Braun in der Wörther Straße 21 in Prenzlauer Berg.

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