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Auf Konfrontationskurs: Mehdorn provoziert Platzeck.

© dpa

Weiter Flughafen-Ärger in Berlin: Streit um den Schallschutz am BER

Ständig neuer Ärger um die Flughäfen: Tegel soll viel länger offen bleiben, in Schönefeld ärgern sich Anrainer über den Schallschutz.

Erst die Dauerdebatte um Tegel in Berlin, und jetzt auch noch eine Eskalation beim Schallschutz in Brandenburg: BER-Vorstandschef Hartmut Mehdorn provoziert einigen Ärger bei Betroffenen. Am Mittwoch sprach sich der 70-Jährige wieder dafür aus, den Flughafen Tegel – der ja eigentlich seit 2011 geschlossen sein sollte – länger offen zu halten, diesmal mit einer neuen Begründung. Im BER-Sonderausschuss des Potsdamer Landtages machte er keinen Hehl daraus, dass der Airport Tegel noch 2017/2018 benötigt werde, um dann wie geplant die aus DDR-Zeiten stammende BER-Nordbahn sanieren zu können.

Mehdorn warnte vor dem Dogmatismus, Tegel sechs Monate nach Inbetriebnahme der BER-Südbahn schließen zu müssen. „Die Sechs-Monate-Regelung muss weg“, sagte Mehdorn. Es sei absurd, dass bei Problemen am BER auf der Nordbahn – wie jüngst mit einem Kleinflugzeug – nicht auf die „funkelnagelneue und fertige Südbahn ausgewichen werden darf, nur weil dann Tegel sechs Monate später geschlossen werden muss“. Er beklagte, dass man über Tegel nicht sachlich, „nur dogmatisch“ diskutiere. Betroffen sind vom Krach der TXL-Flugzeuge rund 300 000 Anwohner von Spandau über Tegel bis nach Pankow.

Doch nicht nur im Norden gibt es Ärger. Zugleich sorgen publik gewordene Pläne Mehdorns, am BER ein geringeres Schallschutzniveau für rund 14 000 Wohnungen durchzusetzen, für Entsetzen – bei Anrainern, im Landtag und in der Regierung von SPD-Ministerpräsident und BER-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck. Alle Parteien außer der FDP lehnen dies strikt ab. Das Unverständnis ist umso größer, weil das jahrelange „systematisch rechtswidrige“ Billigschallschutzprogramm des Flughafens erst vom Oberverwaltungsgericht (OVG) gestoppt worden war. Wenn Mehdorn damit ernst macht, droht ein Crash mit Aufsichtsratschef Platzeck. Der hatte sich in der Debatte um eine BER-Etappeneröffnung hinter Mehdorn gestellt und dessen „tabuloses Herangehen“ gelobt. Zudem stünde das „Dialogforum“ von Flughafen und Anrainerkommunen vor dem Aus. „Wenn beim Schallschutz wieder getrickst wird, dann hat es keine Basis mehr, dann wird der Betrug an den Anwohnern fortgesetzt“, warnte Ortwin Baier, SPD-Bürgermeister von Mahlow-Blankenfelde.

Der BER-Chef will dem Vernehmen nach den höchstrichterlich bestätigten BER-Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2006 mit dem Ziel geringerer Schutzauflagen entschärfen lassen – über den formalen Weg eines Änderungsverfahrens. Dies würde wohl mindestens zwei Jahre dauern, womöglich länger – und der Fall würde erneut beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig landen. Und der Chef will gegen das jüngste Schallschutzurteil des OVG vorgehen. Wegen des Präzedenzcharakters für andere Flughäfen und Infrastrukturprojekte will Mehdorn eine Revision erzwingen, die das OVG nicht zugelassen hat. Eine Bestätigung des Flughafens für die Pläne gab es gestern noch nicht. Man warte erst die Urteilsbegründung des letzten OVG-Urteils ab, hieß es vom Flughafen und aus Brandenburgs Regierung. Berlin und Bund wollten den Vorstoß nicht kommentieren.

Brandenburgs CDU-Oppositionsführer Dieter Dombrowski sagte: „Es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass Ministerpräsident Matthias Platzeck einen solchen Vorstoß unterstützt.“ SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher warnte vor „neuen Hintertüren“: „Die Menschen wollen endlich Ruhe.“ Unklar ist, welches Schutzniveau der Flughafen anpeilt. Einen ersten „Klarstellungsantrag“, mit dem der Flughafen im Jahr 2012 sein Billigschallschutzprogramm legalisieren wollte, war nach dem ersten OVG-Urteil zurückgezogen worden. Nach dem nun bekräftigten Richterspruch lässt der Planfeststellungsbeschluss „keine“ Pegelüberschreitung zu. Die entsprechende Formulierung hatte der Flughafen einst so beantragt. Ein Fehler, heißt es heute. Dem Unternehmen ist der Fauxpas seit 2008 bekannt. Mit dem Null-Standard müsste das mit 140 Millionen Euro nie ausfinanzierte Schallschutzprogramm um 591 Millionen Euro aufgestockt werden. Brandenburg hatte zuletzt eine abgemilderte, 286 Millionen Euro billigere Variante (maximal 0,5 Pegelüberschreitungen täglich) versucht, die das OVG vor zwei Wochen aber ebenfalls stoppte.

Im BER-Ausschuss verteidigte Mehdorn seinen Ansatz, den Flughafen schrittweise zu eröffnen. Er gab zu, dass es da noch „mehr Fragen als Antworten“ gebe. Bekannt wurde, dass der BER-Aufsichtsrat Haftungsansprüche gegen Ex-Flughafenchef Rainer Schwarz wegen der kurzfristig abgesagten Eröffnung des Airports im Mai 2012 sieht.

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