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Berlin: Welche Farbe braucht das Tor?: Pro & Contra

Wieso muss das Brandenburger Tor sein sandfahles Gesicht behalten? Die Macht der Gewohnheit ist kein Argument.

Wieso muss das Brandenburger Tor sein sandfahles Gesicht behalten? Die Macht der Gewohnheit ist kein Argument. Das wahre Traditionsbewusstsein schreit nach lichtem Weiß. Baumeister Langhans hatte sich beim marmorweißen Anstrich etwas gedacht. Der Klassizismus hielt es mit der Antike, und das Tor ist den Propyläen der Akropolis von Athen nachempfunden. In Paris, London und Washington käme niemand auf den tristen Einfall, den klassistischen Bauten das warm und heiter strahlende Weiß zu nehmen.

Ach, manche Politiker sind so vorsichtig, dass sie sich keine Fantasie gestatten. Sie kommen uns mit dem gewohnten Anblick und bangen gar darum, den Berlinern das Symbol durch Verfremdung zu verfremden. Das sollen sie mal unsere Sorge sein lassen! Womöglich steckt bloß das sture Festhalten an der Gestaltungssatzung der neunziger Jahre dahinter, wonach der Farbton der Fassaden am Pariser Platz dem Tor anzupassen war. Es muss gar nicht alles Ton in Ton sein. Und was soll der Einwand, dass Weiß so schnell schmuddelt? Sandstein auch. Unsaubere Luft greift die kostbare Substanz an. Die Säuberung ist teuer, der weiße Anstrich ist preiswert und schützt vor Erosion.

Auf all die flauen Bedenken gibt es nur eine echt berlinische Antwort: Jeht nich jibts nich! Also keine Angst vor der Courage. Nur Mut zur Stadtgeschichte, Mut zur lichten Farbe. Das Zeughaus hat seine rosa Schlüter-Fassade wieder, gebt dem Brandenburger Tor sein Marmorweiß zurück! 50 Jahre war unser Wahrzeichen ein Solitär am kriegszerstörten Pariser Platz. Nun wird es von seiner neuen Umgebung fast erdrückt. Das hat es wegen seiner historischen Bedeutung nicht verdient. Nehmt ihm die Größe nicht, bringt es um seiner selbst willen neu zur Geltung! Garantiert wird alle Welt hingucken. Tut das etwa nicht gut?

Brigitte Grunert

Das Brandenburger Tor, ganz in Weiß?

Klingt verlockend. So sauber, so antik. So leuchtend, wie die Akropolis einmal gewesen sein soll. Weißeln wirkt auch englisch. Sind viele Regierungsbauten am St.-James-Park in London nicht vornehm weiß? Aber in Berlin ist grelle Weißheit nicht der Weisheit letzter Schluss. Das Tor war mal kurz schneeweiß, ganz am Anfang seiner langen Geschichte. Ist das ein Grund, es kreidebleich erblassen zu lassen? Wer hat darüber zu entscheiden, wenn nicht in öffentlicher Diskussion das Volk, für das der Bau eine Herzensangelegenheit, ein Wahrzeichen und Einheitssymbol ist.

Wir sehen auf den verhüllenden Bildplanen, wie das Tor in Weiß aussehen kann. Das wirkt fremd und schön - eine kalte Schönheit. Es kann nicht sein, dass jetzt hinter den Kulissen von einigen Leuten ernsthaft überlegt wird, ob statt eines sandfarbenen nicht besser ein weißes Tor zum Vorschein kommen sollte. Das mag dann noch so blendend strahlen - es wäre ein Entscheidungsprozess, der vieles im Dunkeln ließe.

Stellen wir uns das weiße Tor vor, denken uns den recht sandfarbenen Pariser Platz dazu: Da passt nichts zusammen. Das ist, als ob man in ein Gebiss ziemlich gelber Zähne einen grellweißen Schneidezahn setzt. Man müsste dann schon aus ästhetischen Gründen von den Anliegern verlangen, auch ihre Häuser weiß zu streichen, damit der gesamte Platz ein wirkliches Ensemble bildet.

Abgesehen davon: Das Tor ist so berühmt in seinem Sandsteinton, das allein schon die Farbe strengen Denkmalschutz verdient. Auch die Gedächtniskirche ist so, wie sie jetzt aussieht, berühmt geworden. Man sollte, wie vereinbart, das Tor sanieren und in seinem Grundton farblich auffrischen. Das Entfremden eines Wahrzeichens ist keine Sache von Hinterstübchen.

Christian Van Lessen

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