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Gut drapiert. Dieses Mal hat Michael Sontag die für ihn typischen Seidenstoffe um T-Shirts drapiert. Es ist schon etwas verwegen, ein simples T-Shirt als Mittelpunkt oder Untergrund für eine Kollektion zu verwenden, aber hier geht es auf: Die einfachen Baumwollstoffe bringen die Seide erst richtig zum Leuchten und geben den fließenden Stoffen einen Rahmen. Dazu kommen Drapierungen auf Oberteilen, die an Origami erinnern. Und ach, das für Berlin typische Tunikakleid, das aussieht wie aus einem Stück gefertigt, ist bei Michael Sontag mal wieder besonders gelungen. gth Foto: promo

© Getty Images

Berlin: Welt Design die verändert

Der Berliner Modemacher Michael Sontag erzählt vom Workshop „Ethno Fashion“, den er in Bangladesch durchgeführt hat.

Herr Sontag, wie sind Sie zu dem Job gekommen?

Ich drapiere viel, und Drapieren gehört in Bangladesch zum Alltag. Auch die Männer tragen ja Lungis, die sie selbst wickeln. Der große Unterschied ist, dass ich den Stoff drapiere und dann dafür sorge, dass er in Form bleibt.

Wie sind die Frauen angezogen?

Ich fand toll, dass die Teilnehmerinnen an einem Tag im Sari kamen und aussahen wie bengalische Prinzessinnen, und am nächsten in Jeans und T-Shirt.

Das heißt, unkomplizierte Kleidung wird dort nicht unbedingt bevorzugt?

Hier muss es praktisch sein, sonst beschweren sich die Leute, dass sie vor lauter Stoff nicht auf ihrem iPad rumwischen und tippen können. Das geht natürlich trotzdem. Wenn die Bengalinnen ihre Saris anhatten, haben sie den Stoff nach hinten geworfen, was eine ganz natürliche Bewegung ist. Ich fand sehr inspirierend, was das mit der Körpersprache macht.

Wie haben Ihre Kolleginnen gearbeitet?

Die Französin war ein Kontrast zu mir, die hatte den französischen Chic. Bibbi Russel hat mit der Gruppe an Zeichnungen gearbeitet. Bibbi kennt dort jeder, ihr Label heißt „Fashion for Development“. Sie bildet die Leute in den Dörfern aus und gibt ihnen Arbeit. Sie versucht, die Verhältnisse zu ändern.

Sollte der Workshop auch dazu beitragen?

Die Grundidee war, Bangladesch als Land zu zeigen, in dem nicht nur Textilien für die ganze Welt hergestellt werden, sondern auch Design entstehen kann. Das Medieninteresse war riesig. Klar muss sich was ändern, denn die Lösung ist sicher nicht, keine Kleidung aus Bangladesch zu kaufen. Es geht darum, die Umstände zu verändern und nicht, die Produktion in ein anderes Land zu verlegen.

Was muss sich in dem Land ändern?

Es gibt dort auf jeden Fall einen Bedarf an Ausbildung. Es ist ein langer Weg, auch innerhalb des Landes darauf aufmerksam zu machen, dass es ein Potenzial für Design gibt und dass es nicht alles sein muss, massenhaft billige Kleidung zu produzieren.

Wer waren die Teilnehmerinnen?

Einige hatten Mode studiert und schon gearbeitet, andere nur einen Kurs gemacht. Es waren keine reichen Kinder von Textilproduzenten dabei, die in Europa studiert hatten. Die Teilnahme hatten sie bei einem Wettbewerb gewonnen.

Hat Bangladesch eine eigene Textiltradition?

Es gibt schon eine Tradition für Stoffe - Jute ist dort ein sehr traditioneller Werkstoff. Wir sollten im Workshop auch mit örtlichen Ressourcen arbeiten, alles traditionelle, mustergewebte Stoffe. Typisch für Saris ist Jadani, eine Art Gaze, in die opake Muster eingewebt sind.

Meinen Sie, der Workshop konnte etwas bewirken?

Das war schon ein Impuls, es ging ja auch um kulturellen Austausch. Bangladesch hat nicht viele westliche Einflüsse, es gibt dort überhaupt keine westlichen Ketten, weder McDonald’s noch H&M. Es gibt Markthallen über mehrere Stockwerke mit zwei mal zwei Meter großen Shops, da werden Klamotten verkauft, viel auch zweite Wahl.

War der Workshop auch eine Reaktion auf das Unglück in Saba, bei dem 300 Textilarbeiterinnen ums Leben kamen?

Nein, als der Wettbewerb ausgeschrieben wurde, war das Unglück noch nicht passiert.

Das heißt, westliche Textilproduktion war kein Thema?

Damit hatte der Workshop nichts zu tun. Übrigens produzieren dort auch große Firmen, bei denen alles nach westlichen Standards geregelt ist. Es wird aber vor allem über die anderen geschrieben.

Würden Sie in Bangladesch produzieren lassen?

Nein, das könnte ich nicht, weil es so weit weg ist. Ich habe am liebsten alles nah bei mir, so dass ich hinfahren kann.

Was hat Ihnen persönlich an dem Workshop gefallen?

Es war toll, wie unbefangen die Studenten gearbeitet haben. Das ist bei mir ja auch noch nicht lange her – aber die Unbefangenheit geht verloren, wenn man auf einem Markt funktionieren muss.

Das Gespräch führte Grit Thönnissen.

Michael Sontag, 33, studierte an der Kunsthochschule Weißensee und gründete direkt danach 2009 sein eigenes Label. Er gewann 2010 den Senatspreis „Start your Fashion Business“.

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