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Berlin: Weltstars aus Berlin

Trotz der schlechten Konjunktur sind viele Firmen mit ihren Produkten international die Nummer eins

Was haben Filmblut, Antibabypillen, Schwingungstilger für Brücken und Ventile für die Wasserkopf-Krankheit gemeinsam? All diese Produkte kommen aus Berlin. Und sie alle machen ihre Hersteller zu führenden Unternehmen auf dem Weltmarkt.

Weltmarktführer aus Berlin – das scheint wie ein Widerspruch angesichts der wirtschaftlichen Lage der Stadt. Dabei gibt es eine Reihe von Unternehmen, die von sich behaupten können, weltweit die Nummer eins zu sein. Das bekannteste ist wohl der Pharmakonzern Schering, dessen Antibabypillen ein internationaler Bestseller sind. Doch es gibt auch Mittelständler mit einer starken weltweiten Marktstellung.

Die Suche nach den Berliner Weltmarktführern beginnt mitten in London. Die Millennium-Bridge hatte nach ihrer Eröffnung ein enormes Problem: Sie schaukelte. Viele Passanten fragten sich, ob sie auf einer Brücke oder doch eher auf einem Schiff die Themse überquerten. Bis eine Firma aus Reinickendorf dem Bauwerk die Schwingungen nahm. Die Ingenieure von „Gerb Schwingungsisolierungen“ machten das, was sie schon in Brasilien, Frankreich und vielen anderen Ländern der Welt mit Gebäuden, Industrieanlagen, Schiffen, Maschinen und eben Brücken getan hatten: Sie bauten ihre in Berlin entwickelten Schwingungstilger ein. Das Schaukeln verschwand, und Berliner Spitzentechnologie bekam damit eine neue Referenz.

Auch in einem der spektakulärsten Bauwerke in Dubai steckt Gerb-Technik. Das Burj Al Arab Hotel mit seinem weithin sichtbaren Hubschrauberlandeplatz in 280 Metern Höhe hat Schwingungstilger aus Berlin. Und erst vor wenigen Wochen ist in Shanghai die Konzerthalle verschoben worden, weil eine neue sechsspurige Autobahn den feinen Klang gestört hätte. Zwar führt nun unter dem Konzerthaus eine U-Bahn hindurch. Doch das merken die Besucher nicht mehr, weil Gerb spezielle Schwingungsfedern für den Bau konstruiert hat.

Allerdings lassen sich nicht alle Firmen so einfach wie Gerb als Weltmarktführer einordnen. Selbst der IHK Berlin fällt es schwer, eine umfangreiche Liste zu präsentieren. „Die Frage ist: Was versteht man unter einem Weltmarktführer?“, sagt IHK-Sprecher Stefan Siebner. Vor allem komme es auf die Definition des Marktes an. Wer rote Glühbirnen in einen Globus schraubt und sie als einziger in der Welt verkauft, ist schließlich auch ein Weltmarktführer. Theoretisch. Bisher gibt es lediglich ein Urteil des Kammergerichts Berlin vom Juni 2004, wonach ein Unternehmen sich nur dann mit diesem Titel schmücken darf, wenn es „sich als besonders kompetentes und leistungsfähiges Unternehmen am Markt im Leistungswettbewerb durchgesetzt“ hat. Nur wer ein klar abgegrenztes Produkt und einen sehr hohen internationalen Marktanteil hat, gehört damit in die Champions League der Wirtschaft.

In dieser Oberklasse ist ganz eindeutig ein Medizinprodukt aus dem Randgebiet Berlins einzuordnen: Ein Ventil für die Krankheit Hydrocephalus – auch Wasserkopf genannt. Eine Krankheit, die Kinder von Geburt an haben können, die durch eine Gehirnhautentzündung entsteht und so auch Erwachsene treffen kann. Wenn das Gehirnwasser nicht mehr richtig zirkuliert, hilft ein Ventil, das Christoph Miethke in Kleinmachnow herstellt und das den Abfluss der Flüssigkeit regelt. Miethke ist in Deutschland der einzige Hersteller von Ventilen für Wasserköpfe. Auch weltweit hat er die wenigen internationalen Konkurrenten längst überholt.

Auf den ersten Blick hat auch die Firma Kryolan in Wedding etwas mit Medizin zu tun. Doch was der 84-jährige Firmengründer Arnold Lange in seinen Labors herstellt, ist vor allem in Hollywood gefragt: Kryolan versorgt die internationale Filmindustrie mit Blut. Nicht mit echtem, sondern mit jährlich rund 5000 bis 6000 Litern künstlichem Filmblut – so viel wie kein anderer Anbieter.

Besonders gutes Licht auf Berlin wirft eine kleine Firma aus der Softwareindustrie. Das Berliner Unternehmen Mental Images lieferte die Technik für die visuellen Effekte im Film „Matrix Reloaded“. Auch „Harry Potter“ und „Spiderman“wirken dank der Berliner Technik echter. Die Software „mental ray“ gilt weltweit als bestes Programm, um im Computer reale Bilder zu erzeugen. Die Bildsynthese lässt animierte Bilder dicht an die Wirklichkeit kommen. Mental Images hat selbst die Disney-Firma Pixar bei diesen Spezialeffekten inzwischen hinter sich gelassen. In der weltweiten Filmindustrie sind die Berliner gefragt wie kein zweites Unternehmen.

Vor neun Jahren gründete Ralf Herken Mental Images, ursprünglich um Autofirmen einen Eindruck zu geben, wie ihre Fahrzeuge unter realistischen Lichtverhältnissen wirken. Immerhin die Hälfte des Umsatzes stammt noch immer aus der Unterstützung bei der Autokonstruktion. Der wichtigste Preis der Firma kommt allerdings direkt aus Hollywood: Für „Matrix Reloaded“ bekamen die Berliner 2003 den Oscar für die beste Filmtechnik.

Ingo Wolff

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