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Berlin: Wem gehört der Müll im Tiergarten?

GAZETELER RÜCKBLICK Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen. Immer, wenn in den deutschen Zeitungen das Thema „Grillen im Tiergarten“ aufgegriffen wird, erscheinen auch in türkischen Zeitungen große Aufmacher dazu.

GAZETELER RÜCKBLICK

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Immer, wenn in den deutschen Zeitungen das Thema „Grillen im Tiergarten“ aufgegriffen wird, erscheinen auch in türkischen Zeitungen große Aufmacher dazu. Denn der Park gilt für sie als Ort der Türken, obwohl jeder an den Schweinespießen sehen kann, dass dort auch andere Völker brutzeln. Außerdem steckt hinter der Aufregung die Annahme, dass die Deutschen die Türken für dreckig halten. Als Politiker einmal mehr forderten, dass das Grillen im Tiergarten verboten wird, wurde das für die Zeitungen wieder zum Thema, und zum soundsovielten Mal kramten sie ein Zitat von Bundespräsident Johannes Rau heraus, der einmal einem türkischen Journalisten gesagt haben muss, dass ihn der Grillrauch nicht störe. „Grillen ist ein Kulturgut“, hat ihn die Hürriyet sogar zitiert. Die neue Berliner Anzeigenzeitung „Post“, die aus dem gleichen Verlag wie die Türkiye kommt und nur Geschichten aus Berlin druckt, meinte: „Wieder einmal haben sie sich an der Grillerei festgebissen.“ Außerdem stellt die „Post“ missmutig fest: „Die Bild–Zeitung versuchte, die Türken für den Dreck, den die Deutschen über Pfingsten hinterlassen haben, verantwortlich zu machen.“

Aufgebessert wurde das türkische Selbstbewusstsein dagegen im Ausland – beim Fußball. „Wir würden uns opfern für die türkische Fahne“, zitierte am Sonnabend die Tageszeitung Milliyet begeisterte türkische Fans. Denn in Frankreich hatte am Donnerstag die türkische Nationalmannschaft beim Konföderationen-Cup gespielt und die Mannschaft der USA 2 : 1 besiegt. In dem idyllischen Örtchen St. Etienne muss am jenem Abend der Bär los gewesen sein. „Die Türkei ist am größten“, hätten die „Europa-Türken“ gerufen, hieß es. Die Hürriyet schrieb, dass 20 000 Türken in den Straßen der Stadt „Türkiye, Türkiye“, gerufen hätten.

Manchmal hat es etwas mit dem Nationalstolz zu tun, wenn sich Türken freuen oder aufregen, aber manchmal ist es auch aus einem Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem Westen, der sie scheinbar nicht versteht und nicht in der EU haben will. Das muss man wissen, wenn man zum Beispiel solch eine Schlagzeile verstehen will: „Hier hast Du Deine Tezkere“, titelte die Tageszeitung Türkiye auf ihrer Sportseite zu diesem Spiel. Tezkere ist der Begriff für den Beschluss des türkischen Parlaments während des Irakkrieges, den Amerikanern die Stationierung ihrer Soldaten nicht zu erlauben. Zwischen beiden Nationen kam es deswegen zu einer Verstimmung, was die Zeitung Türkiye anscheinend als kränkend empfand.

Suzan Gülfirat

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