zum Hauptinhalt
Der Zug der Liebe funktioniert ähnlich wie die ehemalige Loveparade.

© Gregor Fischer/dpa

„Weniger Miete, mehr Party!“: Politik mit Spaß beim Zug der Liebe durch Kreuzberg

Antikultur? Nicht beim Zug der Liebe. Eher ein angenehmer Sonntagsspaziergang mit guter Musik.

Als am 1. Juli 1989 etwa 150 Techno-Fans zur ersten Loveparade über den Kurfürstendamm zogen, war sich die Szene noch sicher: Der Ausverkauf des Techno würde niemals passieren. Heute wissen wir, dass es anders kam: Sechs Jahre später zogen 1,5 Millionen Raver durch Berlin. Erst das Unglück von Duisburg 2010 setzte dem Massenphänomen ein tragisches Ende.

Inzwischen hat sich Technomusik wieder in die Keller zurückgezogen, in denen sie ursprünglich entstanden war. Seitdem ist die Szene äußerst fleißig, wenn es darum geht, Subgenres hervorzubringen und in alle Gesellschaftsschichten einsickern zu lassen. Während sich in den vergangenen Jahren der Christopher Street Day (CSD) zum neuen Massenspektakel herauskristallisierte, versucht der Zug der Liebe nun, die Musik und den Rave wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

Auf dem Zug der Liebe darf auch geküsst werden.
Auf dem Zug der Liebe darf auch geküsst werden.

© Gregor Fischer/dpa

Zum vierten Mal luden die Veranstalter am Sonnabend zum unbeschwerten Tanz durch Kreuzberg beim Klang stampfender Bässe. Die Demo ist politisch, es geht um Liebe und gegen Hass. Das Tierheim Berlin hat einen eigenen Truck, Unicef ist dabei und ebenso der „Strassenfeger“. Es gibt Transparente mit der Aufschrift: „Weniger Miete, mehr Party!“ Eine hält ein Schild hoch, auf dem draufsteht, dass sie ein Schild hochhält. Spaßig ist es hier immer noch, aber politischer. Vermutlich der größte Unterschied zur alten Loveparade und auch zum CSD, der sich als Party der sexuellen und hedonistischen Befreiung versteht.

Deutlich mehr als 10.000 Menschen feiern heute den #zugderliebe“, twitterte die Polizei am Samstagabend. Die Veranstalter gaben zunächst keine Einschätzung ab. Angemeldet waren laut Polizei 9500 Menschen.

Spaß hatten die Teilnehmer auf jeden Fall.
Spaß hatten die Teilnehmer auf jeden Fall.

© Gregor Fischer/dpa

Dass Techno keine neue Erscheinung mehr ist, merkt man auf dem Demonstrationszug schnell. Die Altersspanne reicht von knapp volljährig bis pensioniert. Die Stimmung ist gelöst und locker, die Strecke ist nicht sonderlich voll, die Trucks fahren vergleichsweise schnell. Die Teilnehmer tanzen und laufen gleichzeitig.

Berlin entspricht seinem Klischee

Wirkliche Ekstase kommt aber nicht auf – es ist ein angenehmer Samstagsspaziergang mit guter Musik. Die umherschwirrenden BPM-Zahlen streiten sich um das richtige Tempo. Auf den Balkonen steht das gentrifizierte Kreuzberger Publikum, macht Videos, einige tanzen sogar ein bisschen mit. Die einen sind mit ihren Kindern angereist, die anderen mit ihren Eltern. Mittendrin immer wieder Touristen, die es nicht fassen können, wie viel Klischee noch immer in Berlin steckt.

Nein, Techno ist keine Antikultur mehr. Doch hier in Kreuzberg, umringt von einer friedlich tanzenden Menschentraube aus allen Winkeln der Gesellschaft, erkennt man, dass der Traum der frühen Techno-Pioniere wahr geworden ist. Eine große Party von allen für alle. Und die Botschaft ist, ähnlich wie der Tanz, ganz simpel: Liebt euch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false