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Berlin: Wer die Ehre hat

Heute kommt der zweimillionste Besucher ins Jüdische Museum. Das Haus feiert die Erfolgsstory

Man weiß noch nicht, wer es ist, aber man kann sich vorstellen, dass der ominöse Besucher nicht verstehen wird, wie ihm geschieht. Der Geschäftsführer des Jüdischen Museums wird auf ihn zugehen, neben und hinter sich seine Presseabteilung, Reporter, Fotografen. Gut möglich, dass sich der Besucher ein bisschen vorkommen wird, als sei er prominent. Wie sollte jemand auch wissen, dass er nicht als irgendwer ins Jüdische Museum geht – sondern als dessen zweimillionster Besucher?

Den wird das Museum heute begrüßen, vermutlich am Vormittag. Etwa tausend Gäste fehlten gestern noch. Rund 3000 Besucher täglich hat das Museum nach eigener Auskunft derzeit, die meisten morgens.

Sie sind auf jeden Fall zu früh gekommen: Manuela Kühnert und Martin Engel, beide aus Jena, 18 und Schüler. Seit drei Stunden sehen sie sich die Ausstellungen an. „Sehr interessant. Die Sonderschau über Kabbala ist ziemlich originell. Aber es es ist ganz schön viel Info, die in kurzer Zeit auf einen einströmt“, sagt sie. Er nickt. „Wir haben in der Schule viel über den Holocaust erfahren, aber wenig über jüdische Kultur.“ Deshalb und weil über den Libeskind-Bau so viel zu lesen war, sind sie hier.

Viele Besucher sind jung. Etwa die Hälfte sei unter 18 oder noch in der Ausbildung, sagt Eva Södermann, Pressesprecherin des Museums. Viele Schulklassen lassen sich führen, oft reisen sie von auswärts an. Überhaupt sind die Berliner Besucher weniger geworden. Im vergangenen Jahr kam jeder fünfte Besucher aus der Stadt, im Jahr davor noch jeder vierte. „Die Leute haben das Museum vor der Tür. Ich nehme an, dass viele interessierte Berliner zumindest einmal hier waren“, sagt Södermann. Das Museum war seit seiner Eröffnung im September 2001 gut von ausländischen Touristen besucht. „Aber im Moment scheint das Interesse von Amerikanern zu wachsen.“ Eva Södermann erklärt es damit, dass Museums-Architekt Daniel Libeskind in den USA mit einem Mal viel bekannter geworden ist. Er wird Ground Zero in New York gestalten, den Ort, an dem bis zum 11. September 2001 das World Trade Center stand.

Die Libeskind-Architektur ist es, die auch Karl Schuster, 51, beeindruckt hat. Der Keller mit seinen verwirrenden Fluchten. „Die Enge im Holocaust-Turm war eine sehr körperliche Erfahrung, die mich sehr nachdenklich gemacht hat“, sagt der Finanzbeamte aus der Nähe von Nürnberg. Ähnlich erging es Anneliese Bolz, 51, und Marianne Kenntemich, 50. Zu acht sind sie mit Freunden und Bekannten aus Overath bei Köln angereist.

Mehrere Generationen, unterschiedliche Interessen: Aus dem Gästebuch entnimmt man, dass jüngere Besucher auch wegen der Multimedia-Abteilung und den Computer-Animationen in Sonderausstellungen kommen. Wie Karl Schusters Tochter. „Mir“, sagt er, „ist zu viel interaktives Zeug dabei.“

Marc Neller

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