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Berlin: Wer gut ist, geht

Das erste Berliner Profiradsportteam „Team Winfix Techem“ führt junge Fahrer in den bezahlten Sport

Berlin. Dennis Kraft zieht an der Haut auf der Rückseite seiner linken Hand. „So wenig Fett wie hier hat Jan Ullrich an seinen Beinen“, sagt der 21-Jährige, „deshalb sieht man bei Ullrich auch jeden Muskel“. Bei Kraft sieht man auch jeden Muskel an den Beinen, doch der Radfahrer greift sich an den Oberschenkel und sagt: „Da ist noch etwas Fett unter der Haut.“ Ein bisschen geht also noch.

Ein kleiner Unterschied muss ja auch bestehen zwischen Deutschlands bekanntestem Radsportler und Tour-de-France-Sieger von 1997 und dem Berliner Nachwuchsmann, der im letzten Jahr „Rund um Köln“ in seiner Altersklasse gewonnen hat. Und während Ullrich seine Beine auf der Deutschland-Tour in Schuss gehalten hat, versuchte es Kraft ein paar Nummern kleiner. Über Pfingsten startete der gebürtige Frankfurter bei der 51. Tour de Berlin, einem internationalen Amateurrennen.

Die aus fünf Etappen bestehende Tour ist für den 1,88 Meter großen Radfahrers bereits der 16. Start in der erst seit drei Monaten laufenden Saison. „Die vielen Rennen sind wichtig für die nötige Wettkampfhärte“, sagt Kraft. Der Sohn des ehemaligen Radprofis Jürgen Kraft möchte wie sein Vater Profi werden. Und Dennis Kraft ist seinem Ziel schon relativ nahe gekommen. Er fährt für das „Team Winfix Techem“, das seit dieser Saison als erstes Berliner Team die Profilizenz besitzt – für Rennen im unteren Profibereich GS III.

Diese Kategorie, die im Jahre 1999 vom Weltverband geschaffen wurde, um Rennfahrern unter 27 Jahren den Einstieg in den bezahlten Radsport (GS I und GS II) zu erleichtern, war für die Berliner genau richtig. Basis des 19-köpfigen Teams bildet die letztjährige U-23-Bundesligamannschaft, die 2000 aus vier Berliner Radsportvereinen gegründet und im letzten Jahr Zweiter der Gesamtwertung wurde. „Wir sind eine große Herausforderung eingegangen. Als erstes Team in Deutschland bringen wir eine Profimannschaft nur mir Nachwuchsfahrern an den Start“, sagt der Teammanager Jochen Hahn. Ziel sei es, den Nachwuchs langsam an die höheren Leistungen im Vollzeitradsport heranzuführen. Ein Fahrer hat es im letzten Jahr bereits geschafft. Björn Schröder erhielt ein GS-II-Profivertrag bei Team Wiesenhof.

Hierin allerdings äußert sich auch das scheinbare Dilemma des ganzen Unterfangens. Hinter Team Winfix Techem steht kein großes Profiteam, das Talente für sich selbst ausbildet. Das Berliner Team ist somit nur ein Zulieferer für andere Mannschaften. Hahn sieht das ganz entspannt. „Wir konzentrieren uns vor allem auf die U-23-Rennen und die Bundesliga“, sagt der Teammanager, „wer sich da bewährt, kann noch im Laufe der Saison in unser Profi-Team aufsteigen“. Und bei GS-III-Profirennen teilnehmen. Bisher besitzen nur neun der 19 Fahrer die 700 Euro teure Lizenz.

Über die Option, vielleicht ein GS-II-Profiteam aufzubauen, das dem Nachwuchs eine sportliche Zukunft anbieten könnte, will Hahn zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen, da „längerfristige Planungen bisher unmöglich sind“. Die Sponsoren halten sich diese Option zumindest offen. Immerhin haben sie für das nächste Jahr ihre Unterstützung zugesagt.

Das ist wichtig für nähere Zukunft. Dennoch können die GS-III-Profis vom Radsport allein nicht leben. Die allermeisten arbeiten, stecken in der Ausbildung oder studieren. Als eines der größten Nachwuchstalente Deutschlands lebt Dennis Kraft immerhin mit der Unterstützung der Sporthilfe vom Radfahren. Nebenher ist der 21-Jährige derzeit noch in Potsdam für Jura eingeschrieben. Damit hört er aber bald auf und will ein Fernstudium beginnen. „Lernen ist für mich Entspannung“, sagt Kraft, „außerdem ist es mir wichtig, was später aus mir wird.“

Im Moment ist allerdings nur Radsport angesagt. Jahr für Jahr fährt Dennis Kraft etwa 30 000 km, davon ein Drittel Wettkampf und zwei Drittel Training. Dabei ist er bis zu acht Stunden pro Tag auf dem Rad. Zu 60 Prozent wird in der Gruppe gefahren, der Rest alleine. Und es scheint sich auszuzahlen. Zwar belegte Kraft bei der Tour de Berlin wegen eines Massensturzes nur den 26. Gesamtplatz. Dennoch liegt ihm ein seriöses Angebot für die nächste Saison vor: wieder einer weniger.

Jörg Petrasch

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