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Berlin: Wer Porsche fahren kann, soll auch für seine Parzelle mehr bezahlen

Strategiepapier empfiehlt höhere Pacht für Kleingärtner / Eigenheime statt LaubenVON AXEL BAHR BERLIN. Dem traditionellen Kleingartenwesen im Westteil Berlins stehen womöglich harte Zeiten bevor.

Strategiepapier empfiehlt höhere Pacht für Kleingärtner / Eigenheime statt LaubenVON AXEL BAHR BERLIN. Dem traditionellen Kleingartenwesen im Westteil Berlins stehen womöglich harte Zeiten bevor.In einem bislang vertraulichen Strategiepapier der Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (BLEG), das dem Tagesspiegel vorliegt, wird der Senat aufgefordert, den Umgang mit den hochsubventionierten Laubenflächen grundsätzlich zu überdenken.Die BLEG appelliert in dem Handlungskonzept an die Politik, den "Deckmantel des Schweigens" über die offenkundigen Fehlsubventionen zu lüften und den "sakralen Schutz" der Laubenpieper-Lobby aufzuheben. In ihrer Analyse kommt die BLEG zu dem Schluß, daß die "gegenwärtige Berliner Praxis dem sozialorientierten Grundgedanken des Kleingartenwesens weitgehend widerspricht".Die Rechtfertigung nach dem Bundeskleingartengesetz für den niedrigen Pachtzins - 0,70 Mark pro Quadratmeter und Jahr - sei vielfach nicht nachzuvollziehen.Denn: "Die Nutzung eines Kleingartens durch Familien mit niedrigem Einkommen und/oder mehreren Kindern zur Eigenversorung bildet heute Ausnahme", heißt es in dem Papier.Das werde durch zunehmenden Bedarf an Kfz-Stellplätzen deutlich.Teilweise würden ohne Kenntnis des Eigentümers offene Parzellen asphaltiert und zu "sozialorientierten Pachtzinsen" genutzt.Gerade in den Westbezirken müsse darauf hingewiesen werden, daß die ursprüngliche soziale Komponente mehr bedeutet als "Porsche und Parzelle". Noch problematischer sei die Tendenz, daß Familien mit niedrigem Einkommmen sich einen Kleingarten "praktisch nicht mehr leisten können", weil die Ablösesummen für bewirtschaftete Parzellen 30 000 Mark und mehr betragen.Es zeichne sich ab, daß die nach dem Bundeskleingartengesetz vorgesehene Zielgruppe der Bevölkerung auf Dauer von der Pacht bzw.Nutzung von Kleingartenparzellen ausgegrenzt werde.So hätten im Rahmen der mehrmonatigen Untersuchungen der BLEG auch "hartgesottene Vertreter" der Kleingartenverbände- und -vereine unumwunden eingestanden, daß die Kleingärten heute nahezu ausschließlich der Erholung dienen und damit einem grundsätzlichen Passus des Bundeskleingartengesetzes zuwiderlaufen, wonach die "Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf" im Vordergrund des Laubenlebens stehen soll. Vor diesem Hintergrund wirft die BLEG-Expertise die Frage auf, ob sich das hochverschuldete Berlin diesen Umgang mit Landesvermögen leisten kann und will, immerhin handele es sich um eine landeseigene Fläche von 2600 Hektar.So schlägt die BLEG vor, Kolonien, bei denen Abweichungen von den Grundvoraussetzungen besonders kraß sind, aus dem Status des Bundeskleingartengesetzes zu entlassen und - der tatsächlichen Nutzung entsprechend - Pachtverträge als Wochenendgärten abzuschließen.Diese Pachtzinsen betragen bis zu fünfhundert Prozent des regulären Zinses für Kleingärten und ergäben Einnahmeerhöhungen von etwa 15 Millionen Mark jährlich. Auch müsse das Land Berlin "unverzüglich" geeignete innerstädtische Kleingartenflächen insbesondere im Westteil der Stadt für den "selbstgenutzten Eigenheimbau freimachen.Hierzu ist eine Änderung des aktuellen Flächennutzungsplanes notwendig.Wenn alleine zehn Prozent der Kleingartenflächen für den Eigenheimbau genutzt würden, bedeute dies eine mögliche Aktivierung von Landesvermögen in Höhe von 260 Millionen Mark.Nach Meinung der BLEG wäre dies eine zusätzliche Möglichkeit, steuerzahlende Bürger in der Stadt zu halten und gleichzeitig einen Beitrag zur Lösung der Haushaltsprobleme zu leisten.

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