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Berlin: "Wer will da noch mit dem Auto fahren?"

Verkehrsexperte Michael Cramer (Grüne) zu den Auswirkungen der Bundespolitik auf BerlinDie rot-grüne Bundesregierung hat sich nach langen Querelen darauf geeinigt, wie in den kommenden Jahren beim Ausbau der Verkehrswege die Mittel zwischen der Bahn und der Straße aufgeteilt werden sollen. Klaus Kurpjuweit fragte dazu den verkehrspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin, Michael Cramer.

Verkehrsexperte Michael Cramer (Grüne) zu den Auswirkungen der Bundespolitik auf Berlin

Die rot-grüne Bundesregierung hat sich nach langen Querelen darauf geeinigt, wie in den kommenden Jahren beim Ausbau der Verkehrswege die Mittel zwischen der Bahn und der Straße aufgeteilt werden sollen. Klaus Kurpjuweit fragte dazu den verkehrspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin, Michael Cramer.

Welche Auswirkungen hat die Einigung über die Investitionsausgaben im Berlin?

Bei der Schiene sind die Weichen neu gestellt worden. Bestandsicherung und Sanierung vor Neubau, weg von der Einzelprojekt-Betrachtung hin zum Blick auf die Gesamtnetz-Wirkung. Bei der Straße fehlt diese Weichenstellung noch, weil entgegen dem Koalitionsvertrag neue Projekte angeschoben werden, obwohl die Überarbeitung des mit mindestens 90 Milliarden Mark unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplans noch aussteht.

Welche Projekte sind das?

Die Teltowkanalautobahn sowie 16 von 26 Millionen Mark für Vorleistungen zum Bau einer Autobahn am Ostkreuz in einem doppelstöckigen Tunnel.

Stadtautobahnen entlasten doch aber die innerstädtischen Straßen.

Das gilt nur, wenn die Zahl der Autos nicht steigt. In den vergangenen Jahren wurden Milliardenbeträge in den Ausbau des Straßennetzes investiert, ohne dass der Stau sich aufgelöst hat. Im Gegenteil: Die Immobilität in den Städten ist gestiegen. Auch in Berlin.

Ohne diese Investitionen wäre der Stau sicher noch viel dramatischer.

Es gibt nicht zu wenig Straßen, sondern zu viele Autos in der Innenstadt, deren Zahl selbst dieser Senat um zwei Drittel reduzieren will. Die Teltowkanalautobahn verläuft parallel zum sechsspurig ausgebauten Adlergestell und zur viergleisigen Görlitzer Eisenbahn. Beide führen zum Flughafengelände. Wird die Autobahn gebaut, gibt es eine Verlagerung von der Schiene auf die Straße. Das kann niemand wollen!

Auf dem Adlergestell steht man aber bereits heute meist im Stau.

Weil die Verlagerung auf die Bahn noch nicht stattgefunden hat, obwohl sie schon heute nur 20 Minuten von der City bis zum Flughafen-Bahnhof benötigt. Selbst mit der Autobahn muss der Autofahrer mindestens die doppelte Zeit einkalkulieren. Die Londoner lösen das Problem intelligenter. Für den Flughafen London-Heathrow gibt es im innerstädtischen Bahnhof Paddington-Station einen Voll-Check-In für 27 Airlines. Die Fluggäste fahren ohne Gepäck zum Flughafen, ihre Flugreise beginnt in Paddington Station. Wer will da noch mit dem Auto fahren?

Wie sollte das Geld nach Ihrer Ansicht umgeschichtet werden, wenn man die Autobahnen nicht bauen würde?

Die Vernachlässigung der Bestandsicherung zu Gunsten von Straßenneubau ist doppelt fatal: Wer heute die Schlaglöcher nicht reparieren kann, muss morgen ganze Straßenzüge vollständig sanieren. Außerdem bleibt die Chance ungenutzt, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Inwiefern?

Für die Unterhaltung der Straßen sind dreimal so viele Arbeitskräfte erforderlich wie beim Neubau. Zudem wird der regionale Mittelstand dadurch viel stärker gefördert als bei den aufwendigen Großbauten.

Verkehrspolitik als Arbeitsmarktpolitik also?

Auch das, ja. Der Verkehr hat den größten Anteil bei den Investitionen im Bundeshaushalt. Und eine Konsolidierung des Haushalts ist ohne eine erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht möglich.

Gilt dies dann aber nicht auch für den Ausbau der Wasserstraßen, die Sie im Bereich der Havel ja ebenfalls ablehnen?

Es ist verrückt, für eine Wasserautobahn, auf der täglich vielleicht ein bis zwei große Schiffe unterwegs sein werden, fünf Milliarden Mark auszugeben. Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und für eine zukunftsträchtige Verkehrspolitik kann das Geld effizienter eingesetzt werden.

Vom Ausbau des Wasserstraßenkreuzes bei Magdeburg profitiert aber auch der Schiffsverkehr von und nach Berlin.

Das ist im Bau, und dagegen haben wir nichts.

E ingespartes Geld bei Investitionen soll nach dem Beschluss der Bundesregierung der Bahn zu Gute kommen. Könnte damit auch ein Tunnel beim Wiederaufbau der Dresdner Bahn durch Lichtenrade finanziert werden, wie ihn Anwohner fordern?

Bei der Fernbahn wäre dies sicher eine Diskussion wert. Die S-Bahn sollte aber auf jeden Fall weiter ebenerdig fahren. Die Finanzierung ist möglich, wenn der Transrapid Berlin-Hamburg nicht gebaut wird.

Was wollen Sie sonst noch?

Den schnellen Wiederaufbau der Stammbahn zwischen Griebnitzsee und Zehlendorf mit der Fortsetzung über Schöneberg zum Potsdamer Platz, die Fernverkehrsverbindung zwischen Lichtenberg und Ostbahnhof und den Ausbau des südlichen Eisenbahn-Innenrings, damit Neukölln nicht vom Regional- und Fernverkehr abgekoppelt bleibt.

Welche Auswirkungen hat die Einigung über die

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