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Eins, zwei oder drei? Jan Stöß, Raed Saleh und Michael Müller (von links nach rechts) treten um Wowereits Nachfolge an.

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Wer wird Regierender Bürgermeister von Berlin?: Stöß, Saleh und Müller im Kandidatencheck

Drei SPD-Politiker treten gegeneinander an, um der nächste Regierende Bürgermeister von Berlin zu werden. Wofür stehen sie, wie arbeiten und wirken sie? Ein Vergleich der Kandidaten und ihrer Strategien.

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Michael Müller, 49, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt

Was zeichnet den Mann aus?

Loyal ist der Stadtentwicklungssenator und so sachlich, dass schon mal Langeweile aufkommen kann. Das halten ihm Gegner vor, aber so gelingt es ihm auch, Dinge voranzutreiben und Entscheider auf ein Ziel einzuschwören. Als „Sozialdemokrat mit Leib und Seele“ beschreibt er sich, „aber wichtiger noch ist, wie man die Stadt weiterregieren und den sozialen Ausgleich“ sicherstellen kann. Es ist wohl auch seine größte Stärke, dass nicht etwa Eitelkeit ihn treibt und eigene Profilierung. Blass und unscheinbar nennen Kontrahenten das und unterschätzen ihn – gefährlich.

Wo liegen die Schwächen?

„Zwei bis drei Tage schlechte Laune – und das sieht man mir wohl auch an.“ Das sagt Müller auf die Frage, wie er mit Niederlagen umgeht. Das Volksbegehren gegen seine Pläne für die Bebauung des Tempelhofer Feldes war so ein Rückschlag. Die Niederlage gegen Jan Stöß im Zweikampf um den Landesvorsitz der SPD ebenfalls. Da galt er schon als Mann der Vergangenheit. Was er dagegen tat? Nichts. Oder besser, was er auch sonst immer tut: weitermachen, die Dinge vorantreiben, neue Allianzen schmieden. Deshalb wird er gerne auch übersehen, ist aber plötzlich voll da.

Michael Müller, 49, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt
Michael Müller, 49, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt

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Welches Profil hat er?

Für eine „Stadt des sozialen Ausgleichs“, für das „solidarische Berlin“ tritt Müller ein, „da setze ich meinen Schwerpunkt“. Arbeitslosigkeit, der Zuzug und die Integrationsprobleme seien zu bewältigen, denn das alles gehöre zu den liegen- gebliebenen Aufgaben trotz der zuletzt positiven wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung Berlins. Wie das gelingen soll? Müller will „die Wirtschaft stärken und Investitionen in die Stadt holen, um Arbeitsplätze zu schaffen“, zusammen mit einer „aktiven Bürgergesellschaft“.

Wie könnte er überraschen?

Müllers Comeback, einige sprechen gar von einer Auferstehung, war für viele schon die erste Überraschung. Geht da noch was? Vielleicht korrigiert er sein Bild in der Öffentlichkeit. Die Leichtigkeit, mit der er am Freitag seine Kandidatur erklärte, kann ein Vorzeichen sein. Er genießt den plötzlichen und wohl auch für ihn unerwarteten Rückhalt; das könnte ihm neue Kraft geben. Dass der gelernte Drucker hart arbeiten kann und sich in den wichtigen Berliner Themen auskennt, weiß jeder. Gelingen ihm nun auch Pointen, die ihn punkten lassen?

Jan Stöß sollte gelegentlich mal seine Anzüge bügeln

Jan Stöß, 41, ist SPD-Landeschef in Berlin.
Jan Stöß, 41, ist SPD-Landeschef in Berlin.

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Jan Stöß, 41, Landesvorsitzender der SPD in Berlin

Was zeichnet den Mann aus?

Der SPD-Landeschef begreift schnell, kann komplexe Situationen analysieren und formuliert durchaus druckreif. Wenn auch noch nicht in jedem Radio-Interview. Stöß arbeitet konzentriert und zügig, kann politische Strategien entwickeln und diskutiert gern und viel. Ein Kommunikator, der in der Landes- und zunehmend auch in der Bundespartei ganz gut vernetzt, aber beim Publikum noch recht unbekannt ist. Als Gesprächspartner ist er charmant, gesellig und mit Sinn für einen Humor, der auch schon mal schwarz sein darf. Ein trickreicher Kämpfer dazu, der noch was werden will

Wo liegen die Schwächen?

Der Mann muss lernen, pünktlich zu sein und sollte gelegentlich mal die Anzüge aufbügeln. Oder neue kaufen. Unter der unsportlichen Figur, die durch schiere Körpergröße etwas verdeckt wird, leidet der SPD-Mann selbst am meisten. Ist das zu oberflächlich gesehen? Wer Regierungschef werden will, muss auch auf so etwas achten. Darüber hinaus gibt es Parteifreunde, die ihn der Kungelei bezichtigen und seinen politischen Kampfstil als unfair bemängeln, jedenfalls gelegentlich. Vor allem wenn es darum geht, wichtige Mehrheiten zu beschaffen.

Welches Profil hat er?

Stöß will alte sozialdemokratische Tugenden wieder stärken. Das heißt für ihn: Nicht nur an symbolhafte Großprojekte denken, sondern sich kümmern im Kiez. Soziale Gerechtigkeit und Freiheit, das Große und Kleine zusammenbringen. Olympia 2024 sieht er verhalten kritisch, eine viel bessere Zusammenarbeit Berlins mit Brandenburg liegt Stöß am Herzen. Bezahlbare Mieten, soziale Stadtplanung, gute Arbeit und gebührenfreie Bildung für alle, auch das gehört in das Programm des Metropolen-Beauftragten der Bundes-SPD.

Wie könnte er überraschen?

Schwiegermutters Liebling ist der Mann nicht. Will er es werden und bei breiteren Wählerschichten punkten, müsste Stöß weniger herablassend in die Kamera gucken und den leicht bürokratischen Impetus eines Verwaltungsrichters ablegen. Fröhlichkeit, Herzlichkeit, ran an die Frau und den Mann auf der Straße – das könnte positiv überraschen. Charisma lässt sich leider nicht lernen, ein bisschen mehr lässige Ausstrahlung wäre aber machbar, denn eigentlich ist der Schöneberger Kiezbewohner ein lebensfroher Mensch.

Raed Saleh steht persönlich für erfolgreiche Integration

Raed Saleh, 37, ist Franktionschef der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus.
Raed Saleh, 37, ist Franktionschef der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus.

© dpa

Raed Saleh, 37, SPD-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus

Was zeichnet den Mann aus?

Der SPD-Fraktionschef ist verlässlich und beharrlich, politische Freunde loben seine Loyalität, aber auch der Koalitionspartner CDU und Vertreter der Opposition sehen in Saleh einen zuverlässigen Politikpartner. In kleiner Runde kann er witzig und schlagfertig sein, der Mann ist gesellig und lässt im Terminkalender auch noch Platz für die eigene Familie mit zwei kleinen Kindern. Der SPD-Fraktionschef ist ein schlauer Taktiker, der Gefahren und Chancen instinktiv wittert, die Bildung tragfähiger Mehrheiten ist sein Hobby.

Wo liegen die Schwächen?

Immer schwarzer Anzug, weißes Hemd und Krawatte. Was stilsicher und seriös wirken soll, macht manchmal nur steifen Eindruck. Bei öffentlichen Auftritten, auch im Parlament, liest Saleh zuweilen das vom Blatt ab, was ihm Fachleute notiert haben. Ist er angespannt, nervös oder böse auf den politischen Gegner, wird auch die – grammatikalisch korrekte, wie die "taz" kürzlich belegte – Sprache ungelenker, der arabische Akzent setzt sich durch. In solchen Momenten neigt Saleh schon mal zur übertriebenen Polarisierung und Herabsetzung der Konkurrenz.

Welches Profil hat er?

Der Sohn palästinensischer Migranten aus dem Westjordanland, die in Spandau eine neue Heimat fanden, steht persönlich für erfolgreiche Integration. Er setzt sich für gleiche Bildungschancen von der Kita bis zur Uni ein, aber auch für die Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Saleh steht auch für die Konsolidierung des Landeshaushalts. Eine stabile Regierung, Kontinuität und Verlässlichkeit des politischen Handelns – das ist der Dreiklang, den er oft beschwört.

Wie könnte er überraschen?

Das Ungestüme liegt ihm – und könnte die Konkurrenz überraschen. Wie wäre es aber, wenn der 37-Jährige, der erst vor acht Jahren eine Blitzkarriere startete – vom einfachen Abgeordneten zum Fraktionschef der größten Regierungspartei – einmal tief Luft holen würde? Um dann zu überlegen, ob der riskante Sprung nach ganz oben, ins Rote Rathaus, nicht noch etwas früh kommt. Wahre Größe zeigt sich zuweilen in Beschränkung. Derzeit tut Saleh das, was er bestens kann: aufs Ganze gehen.

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