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Wachstumsschub. In Berlin wird viel gebaut, wie hier am Gleisdreieckpark.

© Kitty Kleist-Heinrich

Werbung auf dem Berliner Wohnungsmarkt: Ein Haus ist keine Marke!

„Glint“, „Maison Ouest“ oder „B.Nau“: Kein Neubauprojekt kommt mehr ohne einen Fantasienamen aus. Eigentlich könnte man darüber lachen – aber es spaltet Berlin. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lars Spannagel

Zum ersten Mal ist mir die Unsitte vor ein paar Jahren aufgefallen. Ich war im beschaulichen Wilmersdorfer Kiez meiner Kindheit unterwegs, zwischen den alten Mietshäusern in der Pfalzburger Straße wuchs ein Neubau mit Eigentumswohnungen in die Höhe.

Am Bauzaun prangte ein Schild, das den Namen des entstehenden Wohnhauses verkündete: „Phalsbourg“, darüber als Logo eine stilisierte französische Lilie. Wie albern, dachte ich. Wieso braucht ein Haus einen Namen? Noch dazu einen pseudo-französischen, in dieser kreuzbraven Gegend? Wer fällt denn auf so einen Quatsch rein? Mittlerweile weiß ich: anscheinend alle.

Kein Neubau in Berlin kommt mehr ohne einen Fantasienamen wie „Box Seven“, „Glint“ oder eben „Phalsbourg“ aus. „Branding“ nennt man das in der Sprache des Marketings. Das Ziel der Namensgeberei: Die Bekanntheit des Projekts soll steigen, eine Markenidentität entstehen – gerade in Abgrenzung zu anderen Neubauten auf dem umkämpften Markt.

Vor allem aber soll der Name die Gebilde aus Stein und Stahl sympathisch machen und mit Emotionen aufladen. Ihr wollt Emotionen? Bitteschön: Ich hätte Hohn, Ekel und Wut im Angebot.

Berlin braucht Wohnraum, in Berlin muss gebaut werden. Bauherren und Investoren reicht es aber nicht, einfach nur Wohnhäuser zu errichten. Wohnen in Berlin muss stets als etwas Exklusives, Feudales oder zumindest Modernes inszeniert werden. Dabei sind der Kreativität – und dem Irrsinn – keine Grenzen gesetzt.

Zu Beginn des Berliner Baubooms war es beliebt, ein Projekt mit einem Suffix wie „-Gärten“, „-Höfe“ oder „-Quartier“ zu versehen. Eine vergleichsweise bescheidene Alternative war die Verwendung des verkürzten Straßennamens und der Hausnummer, zum Beispiel „Breite23“, „Genthiner40“ oder „Fred11“. Als sich allzu viele Neubauten mit solchen vermeintlichen Alleinstellungsmerkmalen schmückten, lernten die Namensgeber, dicker aufzutragen. Mit bizarren Folgen.

Beliebt sind Vornamen, die scheinbare Intimität vermitteln sollen

Da viele Wohnungskäufer und Investoren inzwischen aus dem Ausland kommen, sind englische Namen äußerst populär. Welcher Kopenhagener/Londoner/Torontoer Berlin-Liebhaber möchte nicht einen Teil von „A Space“ oder „Greenside“ erwerben? Welcher frankophile Investor fühlt sich nicht von „Maison Ouest“, „Les Deux“ oder „LaVie“ angesprochen? Ebenfalls beliebt sind Vornamen, die scheinbare Intimität vermitteln sollen, gerne auch in trauter Zweisamkeit wie in den Fällen von „Oskar & Helene“ und „Romeo & Giulia.“

Die Kreativität der Namensgeber kennt weder Grenzen noch Rechtschreibregeln, bisweilen scheint sie aber in ähnlichen Bahnen zu verlaufen. Oder wie soll man erklären, dass es Projekte mit den fast gleichlautenden Namen „B.loved“, „B.Nau“ und „B.West“ gibt? Längst werden nicht nur Luxusimmobilien gebrandet, auch vor sanierten Altbauten macht das Marketing nicht Halt: In Friedrichshain kann man sich ins „DNA Britz“ und ins „Your home/your world“ einkaufen. Manche Kreationen – wie „V20 on the park“ – lassen einen einfach nur ratlos zurück. Und selbstverständlich gibt es auch Neubauten namens „The House“ und „The Haus“.

Wohnraum ist nun einmal kein Allerweltsprodukt

Alles nur Namen, alles nur Werbe-Blabla? Wieso also darüber aufregen? Schließlich tragen auch Automodelle oder Handys schräge, pseudocoole Markennamen. Aber Wohnraum ist nun einmal kein Allerweltsprodukt, wohnen müssen alle. Natürlich haben Berliner schon immer darüber gesprochen, wo sie leben: in Wilmersdorf, in 61, am Boxi. Um Marken ging es dabei aber nie.

Letztlich zielt das Immobilien-Branding ohnehin nur vordergründig auf Emotionen ab, eigentlich dient es nur einem Zweck: der Profitmaximierung. Bei den hochtrabenden Namen geht es deshalb auch darum, die Neubauten von ihrer Umgebung abzugrenzen, die Stadt in gute und weniger gute Wohnlagen einzuteilen. Die Käufer sollen sich exklusiv fühlen – sprich: sich für etwas Besseres halten. Auf diese Form von emotionaler Aufladung kann Berlin gut verzichten.

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