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Foto: dapd/Philipp Guelland

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Berlin: Werder streitet über Stolperstein-Projekt

Stadtpolitik kann sich nicht entscheiden, wie ermordeter jüdischer Bürger gedacht wird.

Werder (Havel) - Die Stadt, sagt Uwe Dinjus, ist ein weißer Fleck auf der Landkarte – zumindest, was die Verlegung von Stolpersteinen angeht. Seit knapp drei Jahren trage die Arbeitsgruppe „Stolpersteine aus Werder“ Biografien jüdischer Mitbürger zusammen, die zur NS-Zeit deportiert und ermordet wurden. Doch bislang ist kein einziger Stolperstein verlegt worden,sagt der Vorsitzende des „Bündnisses Kurage“. Und das liege nicht allein daran, dass die Quellenlage so dürftig ist. „Noch immer gibt es keinen dafür notwendigen Beschluss der Stadtverordneten“, sagt Dinjus. Der Prozess sei ins Stocken geraten, man wolle aber weiter daran arbeiten, noch 2012 die ersten Steine in Werder zu verlegen. Ursprünglich war das bereits vergangenen August geplant. Schneller war Teltow: Dort wurden seit Oktober die 16 Stolpersteine verlegt.

Das Projekt, das auf eine Idee des Berliner Künstlers Gunter Demnig zurückgeht, ist nicht unumstritten – auch wenn europaweit mittlerweile 34 000 Steine an die Schicksale ermordeter Juden erinnern. In München etwa wurden die Steine auf Wunsch der dortigen jüdischen Gemeinde sogar wieder entfernt. Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hatte die Aktion mehrfach kritisiert. Ihr Vorwurf: Das Andenken an die Ermordeten werde im Wortsinn mit Füßen getreten. Diese Kritik hatte auch Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) aufgegriffen und als Alternative zu der von SPD, Linken und Grünen unterstützten Aktion vorgeschlagen, Gedenktafeln anzubringen oder Stelen aufzustellen. „Weder für das eine noch für das andere wurde bisher aber etwas unternommen“, sagt Dinjus. Den Vorwurf der Entwürdigung kann er nicht nachvollziehen: Wer sich nach vorn beuge, um die im Boden verankerten Namen besser lesen zu können, verneige sich dabei quasi vor den Opfern.

In Werder gehören etwa Charlotte Rosenthal und Elsa Kohlman dazu. Die beiden Frauen lebten ab 1930 im Hohen Weg, planten aber, sich ein größeres Haus im Ort zu kaufen. Doch 1942 wurde die Malerin Rosenthal deportiert und im Alter von 59 Jahren im Konzentrationslager Treblinka ermordet. Trotz intensiver Recherchen haben die fünf Kurage-Mitglieder der Arbeitsgruppe Stolpersteine kaum mehr über Charlotte Rosenthal herausfinden können. Einige Hinweise – ein Schweizer Konto auf ihren Namen sowie ein Patent auf eine Erfindung – legten aber nahe, dass sie für ihre Zeit sehr emanzipiert war. Unbekannt ist nach wie vor, wo und unter welchen Umständen sie ihre Freundin Elsa Kohlman kennenlernte, die während ihrer Deportation an einer Lungenentzündung starb.

An der Umsetzung des Stolperstein-Projekts wollte sich auch die Carl- von-Ossietzky-Oberschule beteiligen. Doch weil die Faktensuche so schwierig ist, beschäftigen sich die Schüler jetzt stärker mit dem jüdisches Leben allgemein und speziell in Werder. „Sie haben aber gute Vorarbeit für unsere Recherchen geleistet“, sagt Dinjus. Die Ergebnisse sollen auf der Sitzung der Stadtverordneten am 19. April vorgestellt werden. Damit solle auch der Entscheidungsprozess darüber neu angestoßen werden, für welche Form des Erinnerns sich die Stadt Werder entscheidet.Ariane Lemme

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