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Berlin: Westerwelle hat noch nie die FDP gewählt

Was Gerhard Schröder und die Stoibers, Fischer, Peter Struck und Claudia Roth uns bis heute verschwiegen haben

Von Malte Meinhardt

und Stephan Wiehler

Herr Westerwelle hat noch nie die FDP gewählt. Peter Struck hält nicht viel von den Sozialdemokraten. Und Josef Fischer lässt die Bundestagswahl sowieso kalt. „Interessiert mich nicht“, sagt er, „ich bin auf dem Weg an den Gardasee, in den Urlaub.“ Auch die Stoibers zeigen sich einen Tag vor der Entscheidung schmallippig. „Wir geben keine Interviews“, sagt Frau Stoiber. „Wir haben wirklich andere Sorgen.“ Und Gerhard Schröder? Der ist enttäuscht von den Leistungen der rot-grünen Regierungspolitik. „Ich hätte zumindest erwartet, dass die Renten im Osten endlich auf Westniveau gebracht würden. Das hat die SPD nicht hinbekommen.“

Wer hätte das gedacht? Was sollen wir Wähler davon halten, wenn nicht einmal die Schröders und Stoibers eindeutige Entscheidungshilfen geben können? Immerhin, Gerhard Schröder entschließt sich trotz seiner Vorbehalte zu einer klaren Wahlaussage: „Ich wähle SPD.“ Bundeskanzler will er aber nicht werden. Denn Gerhard Schröder hat mit dem Berufsleben schon vor der Wahl abgeschlossen. Der 69-jährige Rentner aus Weißensee arbeitete früher als Elektroinstallateur in Oberschöneweide – mit dem SPD-Chef verbindet ihn neben der Parteienpräferenz nur der gemeinsame . „In meinem Freundeskreis habe ich darum den Spitznamen Bundeskanzler.“ Gerhard Schröder teilt sein Schicksal mit Peter Struck, Claudia Roth oder den Eheleuten Stoiber. Allesamt sind sie Berliner Namensvetter und -cousinen prominenter Bundespolitiker. Als Wahlberechtigte entscheiden auch sie am heutigen Sonntag, wenn es um die politische Zukunft ihrer Namensverwandten geht.

Peter Struck allerdings sieht sich deshalb nicht in der Pflicht, seinem Namen parteipolitisch Ehre zu machen. Der 69-jährige pensionierte Richter aus Pichelsdorf in Spandau ist entschlossen, seine Zweitstimme der FDP zu geben. Und das, obwohl Peter Struck gelegentlich von Freunden hört, er sehe dem ehemaligen SPD-Fraktionschef und Verteidigungsminister Struck auch äußerlich ähnlich. „Das lag vielleicht auch daran, dass ich 25 Jahre Pfeife geraucht habe. Das habe ich aber lange aufgegeben“, sagt Struck. Den Werdegang seines Namensvetters habe er zwar von Anfang an besonders aufmerksam beobachtet, doch: „Wenn ich sagen sollte, dass diesem Herren meine besondere Sympathie gilt, müsste ich lügen.“

Auch Claudia Roth ist von der Grünen-Vorsitzenden, die ihren Namen trägt, nicht recht überzeugt. „Ich finde sie vom Auftreten her zu emotional, da kommt sachlich zu wenig rüber“, urteilt die 50-jährige Schönebergerin. Claudia Roth, die als Lehrerin in der Erwachsenenbildung arbeitet, hat sich bereits entschieden, per Briefwahl. Immerhin, sie hat für eine andere grüne Spitzenpolitikerin gestimmt. Claudia Roth hat Landwirtschaftsministerin Renate Künast gewählt, die in ihrem Wahlkreis als Direktkandidatin antritt.

Wen wundert es da noch, dass Herr Westerwelle sein Kreuz bisher noch nie bei den Liberalen gemacht hat? Bisher habe er immer die SPD gewählt, sagt er. „Diesmal könnte es allerdings sein, dass ich zum ersten Mal für die FDP stimme“, sagt Boris Westerwelle. Wegen Guido. „Westerwelle verkauft sich sehr gut“, sagt der 26-Jährige. Und das findet der Student der Wirtschaftswissenschaften wichtiger für seine Wahlentscheidung als Parteiprogramme. Die zu lesen fehlt Boris Westerwelle schlicht die Zeit, denn er schreibt gerade an seiner Diplomarbeit, Arbeitstitel: „Strategien der Konzentration auf Kernkompetenzen“. Klingt politisch, ist es aber nicht. Westerwelle untersucht die Automobilbranche.

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