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Berlin: Wettergott im Boot

Beim America’s Cup hört das Alinghi-Team nicht auf fremde Vorhersagen und gewinnt auch das dritte Finalrennen gegen die Favoriten

Auckland. In Gedanken sieht Jochen Schümann den America’s Cup, die bodenlose Kanne, im Genfer Yachtclub vielleicht schon stehen, seitdem die Alinghi am Dienstag ihren dritten Sieg im 31. America’s Cup-Finale ersegelt hat. Gut gelaunt, entspannt und locker spazierte der 48-Jährige lächelnd über den Steg, nachdem die SUI 64 unter Kuhglockengeläut und Beifall von ein paar Hundert Schweizer Fans wieder in der Base im Viaduct Hafen gelandet war. Der gebürtige Berliner ist zuversichtlicher als je zuvor: „Wir sind über den Berg“, sagte Schümann. „Den Berg der Vorentscheidung. Denn nur zwei Siege fehlen noch.“

Der dritte Sieg der Alinghi-Crew war unspektakulär. Wurde das erste Rennen als das dramatischste und das zweite als das spannendste in der Cup-Geschichte getauft, war das dritte Rennen gegen Team New Zealand das normalste. Der Sieg wurde bereits nach dem Start, den Skipper Russell Coutts mit zwei Sekunden Vorsprung für sich entschieden hatte, eingefahren. Die grau-rote SUI 64 schob sich auf die rechte Seite und lag damit richtig. Bis zum Schluss. 23 Sekunden vor der schwarzen NZL 82 landeten Coutts und Co. im Ziel. Bei perfekten Bedingungen und Winden zwischen elf und 15 Knoten.

Das Wetterteam der Gesamtcrew, erzählte Schümann später, habe sich allerdings aufgrund der Vorhersagen für die linke Seite entschieden. Der Coutts-Faktor erwies sich auch hier als Gewinngarantie für die 60 Millionen-Euro-Kampagne von Serono-Chef Ernesto Bertarelli. „Coutts sagte den ganzen Morgen, wir müssten nach rechts fahren“, berichtete Schümann. Und so geschah es dann. Ähnliche Uneinigkeit herrschte auf neuseeländischer Seite. „Unser Wetterteam konnte sich nicht wirklich für eine Seite entscheiden“, sagte der neuseeländische Steuermann Dean Barker nach der dritten Niederlage. Die Neuseeländer entschieden sich für links und verloren. Wirklich gefährlich wurde Neuseeland der Alinghi nicht mehr. Coutts hatte alles im Griff und gewann sein 13. America’s-Cup-Rennen in Folge. Ein einsamer Rekord. Gegner Barker muss weiterhin auf seinen zweiten Sieg im Cup warten. Und den ersten im wichtigsten Rennen seines Lebens. Sichtlich entmutigt und enttäuscht hatte er keine Erklärung für die Niederlage. „Wir sind ja gut gesegelt.“ Fragen, ob jetzt die Crew gewechselt würde, verneinte der 29-Jährige, von dem manche sagen, dass er verdammt sei zu verlieren. Er würde allerdings das Steuer aus der Hand geben, wenn er gefragt würde.

Dabei hatte Neuseeland vor dem dritten Rennen nochmals seinen grenzenlosen Optimismus mobilisiert. Segelexperten orakelten, dass noch alles drin und der Cup noch längst nicht verloren sei. „Wie wir Alinghi schlagen können“, titelte die landesweit größte Zeitung, der „New Zealand Herald“. Im Fernsehen und in Zeitungen wurde der Geist von 1983 beschworen. Damals lag Australien 2 mit zwei Niederlagen gegen das US-Team von Dennis Conner zurück und bog das Finale noch in einen legendären Sieg um, der den Cup zum ersten Mal in seiner 152-jährigen Geschichte außerhalb der USA brachte. An Bord der Australier war auch ein Neuseeländer: Tom Schnackenberg. Der 57-Jährige ist heute Teamchef bei Team New Zealand. Die Beschwörung der alten Geister hat nicht geholfen. Und: Ein Sieg wurde noch nie eingefahren, nachdem ein Team bereits drei Rennen verloren hatte. Der America’s Cup macht sich also langsam auf den Weg nach Europa. Die neuseeländische Ära scheint vorbei zu sein.

Jochen Schümann, der älteste Segler bei Alinghi, steht damit vor dem größten Erfolg seiner bisherigen Karriere. Am Donnerstag geht es weiter. Am Mittwoch ist Ruhetag. Natürlich nicht für Schümann. Ob die Crew denn von ihm, dem Teamchef, eine längere Nachtruhe als Belohnung für den Sieg geschenkt bekomme, fragte ein Journalist. „Nix. Alle müssen um sieben Uhr beim Training sein. Wie immer.“

Ingo Petz

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