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Berlin: Wettlauf der Metropolen: Lieber nach Berlin

London, Paris, Rom - die Hitliste der europäischen Touristenstädte scheint festgefügt. Doch der undankbare vierte Platz reicht Berlin nicht mehr.

London, Paris, Rom - die Hitliste der europäischen Touristenstädte scheint festgefügt. Doch der undankbare vierte Platz reicht Berlin nicht mehr. Die Berlin-Werber präsentieren sich kämpferisch. "Im nächsten oder spätestens im übernächsten Jahr werden wir Rom schlagen", sagt Natascha Kompatzki von der Berlin Tourismus Marketing-Gesellschaft (BTM). Die Zahlen geben den Optimisten recht. In dieser Woche hat Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner die zehnmillionste Übernachtung des Jahres 2000 gefeiert. Der symbolisch ausgewählte Gast erhielt einem riesigen Berliner Bären aus Plüsch.

Für das gesamte Jahr 2000 rechnen die Marktstrategen mit insgesamt 11,3 Millionen Übernachtungen. Rom bringt es auf jährlich knapp 12 Millionen. "Der Papst hat uns mit dem Heiligen Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht, schon in diesem Jahr die Bronzemedaille zu erringen", sagt Frau Kompatzki. Auch wenn man seit dem Umzug der Regierung einen wahren Berlin-Boom erlebe, ist die BTM noch nicht zufrieden. Denn unter den Top 3 zu sein, ist ein wichtiges Werbeargument. "Ein solche Rangliste zieht vor allem in den Vereinigten Staaten", sagt Kompatzki. Dass Rankings durchaus subjektiv sein können, beweisen Roland Bates und Dave Blackwood aus Pittsburgh, die wir am Mauermuseum treffen. Blackwoods Fazit: London ist okay, Paris war furchtbar, und Berlin ist Spitze. Der Grund für seine Bewertung ist ungewöhnlich: "Nichts schmeckte so wie dieses tolle deutsche Gericht - wie heißt es doch gleich, diese Rinderroulade." Und dann sei hier alles "so historisch". Blackwood hat ein Foto zu Hause von den durchs Brandenburger Tor marschierenden SA-Horden, die 1933 Hitlers Machtübernahme feiern. Dieses Tor wollte er sich unbedingt ansehen.

So sucht jeder in der Stadt nach seinen Highlights. John Ralston, ein USA-stämmiger Augsburger, hat sich aus dem Reiseführer eine Liste mit 20 Berliner Sehenswürdigkeiten herausgesucht. Punkt für Punkt arbeitet der 33jährige die Tour ab. Auffällig an seiner Liste: Zwei Drittel der Programmpunkte liegen im Osten Berlins - Alexanderplatz, Fernsehturm, Friedrichstraße, Humboldt-Universität ... Was ihm am meisten gefällt? "Die Stadt hat eine große Gemeinsamkeit mit London: Sie ist so multikulturell."

Das haben auch die beiden Japanerinnen Yukiko Hasegawa und Yayoi Saito festgestellt, besonders auf kulinarischem Gebiet. "Es gibt hier so viele unterschiedliche Küchen zu probieren", sagt Hasegawa. Am besten schmeckte ihnen - ein Döner. Aber natürlich nehmen sich beiden auch Zeit für die Sehenswürdigkeiten - oder besser für die Sehenswürdigkeit. Nun stehen sie ein wenig ratlos vor dem Brandenburger Tor. Was für eine Überraschung: Nur Gerüste und Planen. "Ich wollte da erst durch die Plane laufen, weil ich dachte, da stehen ja neue Gebäude hinter dem Tor", sagt Yukiko Hasegawa. Mit dieser Enttäuschung werden viele Berlin-Touristen in den nächsten Monaten leben müssen. Auch BTM-Sprecherin Kompatzki ist nicht glücklich mit der Tor-Verkleidung. Wie die Love Parade ist Silvester am Brandenburger Tor ein Markenprodukt.

Berliner Rechenkünstler

Hasegawa und Saito übernachten im noblen Hotel Kempinski, doch auch Laura Janis und Johanna Polari aus dem finnischen Tampere zählen in der Berliner Statistik, denn Jugendherbergen werden berücksichtigt. Dagegen fallen Touristen, die Privatquartiere wählen oder bei der Love-Parade im Tiergarten nächtigen, bei den Rechenkünstlern unten durch. Nur diejenigen, die direkt im Stadtgebiet übernachten und dabei in einem Hotel mit mindestens neun Betten einchecken, tauchen in der BTM-Statistik auf. "Andere europäische Städte zählen da ganz anders", sagt Kompatzki. Madrid zum Beispiel erfasst auch Übernachtungen in der Umgebung, andere berücksichtigen Betriebe schon ab zwei Betten. "Wenn wir so rechnen würden, hätten wir Rom längst überrundet." Noch wird der Wettlauf der europäischen Städte mit verschiedenen Uhren gemessen.

Dabei ist Doping Pflicht. Trommeln heißt die Devise. Mit der Kultur und Szene zum Beispiel. "Es hat sich herumgesprochen, dass Berlin keine Sperrstunde hat und man hier jeden Tag 1400 Veranstaltungen besuchen kann", sagt Kompatzki. Noch ein Argument spricht für Berlin. "Das ist einfach die preiswerteste Weltstadt", lobt Michael Rellensmann, der gerade von Hamburg nach Berlin gezogen ist und nun seiner Besucherin Kathrin Prinz die Stadt zeigt. Berlin in vier Stunden: Einmal Fernsehturm am Alex für zehn Mark, Neptunbrunnen, Marx-Engels-Denkmal, in den Hackeschen Höfen für 12 Mark 80 superbillig speisen. "Und natürlich in der Ständigen Vertretung die Politprominenz gucken gehen." Nun flanieren sie die Oranienburger Straße entlang, auf der Suche nach der Berliner Szene.

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