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Berlin: Widerstand gegen die Abi-Reform wächst

Schulsenator Böger plant weniger Mathematik und Nachteile für Schüler, die ins Ausland gehen. Kritiker fordern ein Jahr Aufschub

In Berlin schwindet die Begeisterung für die Abiturreform: Für die angestrebte Schulzeitverkürzung um nur drei Monate müssen Schüler und Lehrer erhebliche Nachteile in Kauf nehmen. Insbesondere die Erschwerung von Auslandsaufenthalten, die Abstriche beim Mathematikunterricht und organisatorische Probleme rufen die Kritiker auf den Plan. Dennoch will Bildungssenator Klaus Böger (SPD) die Neuerung am 22. Dezember per Vorschaltgesetz festzurren.

Vorbehaltlose Befürworter der Oberstufenreform gibt es inzwischen kaum noch. Die Ablehnungsfront reicht von der Elternschaft und der Lehrergewerkschaft GEW bis in den konservativen Philologenverband hinein. Dessen Vorsitzender Jobst Werner versucht heute, den SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Müller für eine Verschiebung der Reform um ein Jahr zu gewinnen. Eine berlinweite Elterninitiative will am 29. November weiteren Widerstand mit einer Veranstaltung in Kreuzberg mobilisieren, und der Landesschulbeirat hat längst „erhebliche Bedenken“ gegen die Eile bei der neuen Oberstufe formuliert.

Den Kritikern bleibt nicht viel Zeit, sich zu formieren. Zwar hatte Böger schon im Juni – als Reaktion auf Pisa – angekündigt, dass er die Oberstufe verkürzen und gleichzeitig das Zentralabitur einführen will. Erst im Oktober aber wurden die Schulen über die Einzelheiten informiert – und waren schockiert. Denn viele Details der Verordnung sind so unpraktikabel, dass selbst Schulleiter, die Böger zunächst berieten, jetzt auf Distanz gehen.

Zu ihnen zählt Wolfgang Harnischfeger vom Beethoven-Gymnasium. In einer Stellungnahme in der GEW-Zeitschrift „blz“ schreibt er zwar, die Reform als Ganzes sei „eher zu begrüßen und keineswegs pauschal abzulehnen“. Gleichzeitig benennt er aber „große Probleme“ etwa bei Auslandsaufenthalten, die bisher meist in der 11. Klasse absolviert werden. Da in dieser Klasse künftig schon die Leistungskurse beginnen, lässt sie sich nicht mehr so leicht überspringen, so dass die „High School-Schüler“ wohl generell das Jahr wiederholen müssen. Harnischfeger bemängelt außerdem die Abstriche bei Naturwissenschaften und Mathematik und fordert eine Kompensation in der Mittelstufe.

Wesentlich drastischer ist die Kritik aus anderen Schulen. Für Hans-Georg Prause (Fichtenberg-Gymnasium) ist die neue Oberstufe schlicht „ein Missgriff“. Er begründet dies etwa damit, dass die Schüler künftig bis in den Nachmittag hinein Unterricht haben, ohne dass es dafür räumliche Voraussetzungen gibt. Übereinstimmend mit dem Landesschulbeirat fordert er, dass die Schulen zunächst für einen Ganztagsbetrieb umgerüstet werden – mit Mensen und Aufenthaltsräumen. Zudem kritisiert er, dass der Mathematikunterricht „von 380 auf 300 Stunden“ in der Oberstufe verkürzt werden soll, ohne dass die angekündigte Entrümpelung der Lehrpläne absehbar sei. „Berlins Schulen haben schon genug Probleme – auch ohne die übereilte Oberstufenreform“, urteilt Özcan Mutlu von den Bündnisgrünen und mahnt, erstmal den Erfolg der ähnlich konstruierten Rheinland-Pfälzer Reform abzuwarten.

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