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Berlin: Widerworte für Wowereit

Nicht nur Studenten, auch Bildungspolitiker sind verärgert, dass der Regierende Bürgermeister die Hochschulproteste „aushalten“ will

Die unnachgiebige Haltung Klaus Wowereits gegenüber den Hochschulprotesten hat am Wochenende Widerspruch provoziert – nicht nur bei den Studenten, sondern auch unter Bildungspolitikern der Regierungsparteien SPD und PDS. Der Regierende Bürgermeister hatte im Tagesspiegel am Sonntag angekündigt, dass er die Proteste aushalten wolle. Auch hatte er sich für Studiengebühren ausgesprochen und die geplante Einführung so genannter Studienkonten verteidigt, die den akademischen Nachwuchs zum Einhalten der Regelstudienzeit drängen sollen.

„So einfach kann man es sich nicht machen“, sagte der PDS-Hochschulpolitiker Benjamin Hoff. Der Senat solle auf den Protest reagieren. „Herr Wowereit übersieht, dass die Studenten fordern, was zum Teil in der Koalitionsvereinbarung steht“, wie etwa die Abschaffung des Beamtenstatus von Hochschullehrern oder eine verstärkte Mitbestimmung von Studenten. Auch widersprach Hoff Wowereits Plädoyer für Studiengebühren: „Das mag seine persönliche Meinung sein, aber seine Partei hat die Gebühren abgelehnt.“ Dem schloss sich der SPD-Hochschulpolitiker Bert Flemming an. Ansonsten habe der Regierende aber Recht, wenn er vom generellen Sparziel nicht abrücken wolle.

Unter den streikenden Studenten lösten Wowereits Äußerungen im Tagesspiegel erwartungsgemäß Empörung aus. „Wir können uns nicht weiter verschulden? Dass ich nicht lache!“, sagt HU-Student Jörn Schulz (23) am Rande der Demo durch Mitte, an der zwischen 10000 und 20000 Studenten teilnahmen. „Für die Sanierung der Bankgesellschaft sind die Millionen da, und für uns soll’s nicht reichen?“ Auch die TU-Studenten Alexander Wiener (22) und Stefan Voigt (20) ärgern sich über die Haltung der Landesregierung: „Bei uns wurde schon viel zu viel gespart, die Seminare sind überfüllt, es gibt nicht genug Professoren – das kann Wowereit nicht einfach ignorieren.“ Am Sonntagnachmittag störten rund 100 Studenten die Feier mit Wowereit zur Übergabe des norwegischen Weihnachtsbaumes am Brandenburger Tor. Der Regierende reagierte ungehalten. Abends trafen sich Studenten wie schon vergangenen Sonntag am Breitscheidplatz vor dem Fernsehstudio der Sendung „Sabine Christiansen“. Es waren aber weit weniger als vor einer Woche. Nach Sendebeginn blockierten sie den Verkehr in Charlottenburg.

Die Proteste fanden am Wochenende parteiübergreifenden Zuspruch. Neben den SPD- und PDS-Politikern Hoff und Flemming zeigte auch die CDU-Hochschulpolitikerin Monika Grütters Verständnis. Sie lief auf der Demonstration mit und beteiligte sich an einem Marathon-Seminar in der Humboldt-Universität – „um dem Streik und der Verweigerungshaltung etwas Konstruktives entgegenzusetzen“. Grütters widersprach Wowereits Interview-Äußerungen in mehreren Punkten. So seien die Kürzungen von 75 Millionen Euro keinesfalls „im Konsens mit den Hochschulen“ beschlossen worden, sondern Ergebnis einer „Erpressung“ der Unis durch den Senat. Auch widerspreche Wowereit sich selbst, wenn er einerseits Strukturreformen und internationale Konkurrenzfähigkeit fordere, andererseits aber die Sparmaßnahmen eben dies verhinderten.

Ähnlich hatte sich im Tagesspiegel am Sonntag der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) geäußert. Das wiederum provozierte empörten Widerspruch bei den jetzigen Regierungsparteien. „Die Studenten wissen sehr wohl, dass es doch Herr Diepgen und seine damalige Regierung sind, die für den Schaden in der Hochschulpolitik verantwortlich sind“, sagte PDS-Mann Hoff. Sein SPD-Kollege Flemming warf Diepgen „Scheinheiligkeit“ vor: „Unter seiner Ägide ist viel mehr gespart worden, als wir es jetzt vorhaben.“

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