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Berlin: Wie bei Robbie Williams

Zu viel Andrang in der Staatsbibliothek – vor allem sonnabends

Vor der Tür drängen sich 400 Menschen – nur in kleinen Gruppen werden sie ins Innere vorgelassen. Zustände wie beim Robbie-Williams-Konzert, meint Anne Schleider. Die Publizistikstudentin berichtet vom vergangenen Samstag, allerdings nicht vom abendlichen Popkonzert, sondern vom Versuch, einen Platz in der Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße zu ergattern. Seit zwei Monaten kämpfen die Leser dort vor allem an Sonnabenden um rare Arbeitsplätze und die Mitarbeiter kämpfen gegen den Ansturm arbeitswilliger Leser. Die Monate Januar und Februar sind traditionell Prüfungszeit für viele Studierende. Dass man vor der Tür fast zerquetscht wird, so wie jetzt, das hat Anne Schleider aber noch nicht erlebt.

Auch in der Woche sieht es nicht gut aus. Spätestens gegen 10.30 Uhr erschallt aus den Lautsprechern: „Wegen Überfüllung des Lesesaals werden keine Tageskarten mehr ausgegeben.“ Dann befinden sich schon 700 Leser in den Räumen der Staatsbibliothek – und die Kapazitäten sind fast ausgeschöpft. Nur angemeldete Benutzer mit Wochen- und Jahreskarten werden noch eingelassen – und suchen sich ihren Platz.

Marek Fialek hat es sich auf der Treppe gemütlich gemacht. Der 29-Jährige bereitet sich auf die Verteidigung seiner Doktorarbeit in Germanistik vor. Kurz nach 11 Uhr war er da und kein Platz mehr frei. „Wenn man öfter hier ist, weiß man, wie es läuft: Ab 14 Uhr gehen einige wieder“, sagt er und wartet. Nur in der Staatsbibliothek gibt es die Bücher aus dem 19. Jahrhundert, die er zu Vorbereitung braucht.

Spätestens wenn die Lichtschranke am Eingang 800 Menschen gezählt hat, müssen die Damen am Drehkreuz resolut werden – auch gegenüber angemeldeten Benutzern. Aus Sicherheitsgründen darf keiner mehr eingelassen werden. Nur wenn jemand definitiv das Haus verlässt, kann ein anderer nachrücken. Viele gehen zur Pause hinaus, nehmen sich einen so genannten Begleitzettel und kommen dann irgendwann wieder. Manchen Wartenden ärgert das sehr. Neulich habe sogar ein älterer Herr seinen Kugelschreiber einer Mitarbeiterin an den Kopf geworfen.

Meistens geht es jedoch gesittet zu – auch wenn der stellvertretende Leiter der Benutzungsabteilung, Uwe Schersky, von einer „perversen Situation“ spricht. „Andere Bibliotheken machen attraktive Angebote, um Leute anzuziehen, wir müssen an unsere Leser appellieren, zu Hause zu bleiben.“ Er ruft die Berliner Universitäten auf, geeignete Lernorte für Studenten bereitzustellen. Auch die Studenten beklagen die schlechten Arbeitsbedingungen in den Uni-Lesesälen. „Es ist laut und unruhig und es gibt zu wenig Plätze“, sagt Anne Schleider. „In der Stabi herrscht eine disziplinierte Arbeitsatmosphäre, die anspornt.“ Zumindest für die Frühaufsteher – alle anderen sollten bis zur Enstpannung der Situation im März auf andere Lernorte ausweichen.

Anna Bilger

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