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Bis spätestens Februar muss der Bebauungsplan beschlossen sein.

© Fabian Sommer/dpa/ZB

Wie geht's weiter am Checkpoint Charlie?: Spekulanten könnten bald die Spuren der Geschichte ausradieren

Berlins Finanzverwaltung blockiert den Bebauungsplan am Checkpoint Charlie. Die Ideen von Bausenatorin Katrin Lompscher sind in Gefahr – eine Frist läuft ab.

Ein Stadtplatz für alle Berliner, ein Museum des Kalten Krieges, kein Hotel, sondern bezahlbare Wohnungen und Brandmauern, die an das zerklüftete Bild des geteilten Berlins gemahnen – diese vom Senat und weiten Teilen des Parlaments bisher vorangetriebenen Pläne sind Makulatur. Die neue Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Finanzen Vera Junker (SPD) blockiert nun das Bebauungsplanverfahren.

Dabei läuft dem Senat die Zeit davon: Wenn der neue Bebauungsplan nicht spätestens bis Februar beschlossen und veröffentlicht ist, dürfen rund um die Friedrichstraße alle Spuren der Geschichte ganz legal gelöscht werden. Denn dann gilt eine Sonderregelung, wonach alle Lücken bis an den Rand des Blockes gefüllt werden dürfen, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestätigte: mit „großflächigem Einzelhandel und Hotel“.

In die Hände spielt der Querschuss Interessen eines Firmenverbundes, der mit Rechten aus Altschulden auf viel mehr Renditebauten auf den Brachen spekuliert. Genau diese enge Bebauung wollte Berlin eigentlich verhindern. Zumal Experten, Bürger und Kulturaktivisten in Beteiligungsverfahren und privaten Initiativen vor der Löschung der Geschichtsspuren warnten.

Durch die Verschleppung des Verfahrens um die Neugestaltung des Checkpoints wäre auch die Aussage von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vom Ende vergangenen Jahres nur ein Wunsch: „Man braucht keinen Plan B, sondern einen B-Plan.“

Dabei hatte Lompscher für ihre Strategie, das öffentliche Interesse am Checkpoint Charlie zu sichern und das per Gesetz, sogar die Rückendeckung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). Lompschers Sprecherin sagte auf Anfrage: „Es gibt einen Senatsbeschluss, nach dem wir einen Bebauungsplan erarbeiten sollen.“

Die Finanzverwaltung will den Entwurf nicht mitzeichnen

Aber der könnte nun hinfällig sein: Wenn die Senatsverwaltung für Finanzen bei ihrer Haltung bleibt, wird der Bebauungsplan so nicht kommen.

Wieso das möglich ist? Die Finanzverwaltung bekommt wie alle beteiligten Verwaltungen einen Entwurf für den „Bebauungsplan 1-98 ,Checkpoint Charlie‘“ und muss diesen „mitzeichnen“. Doch das will die SPD-geführte Verwaltung vorerst nicht tun und unterrichtete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in einem Brief darüber. Darin knüpfen die Fachleute aus der Klosterstraße Bedingungen an ihre Mitzeichnung: Die Klärung der Eigentumsverhältnisse – und dazu „müsste auch der Grundschuldgläubiger einbezogen werden“ in „etwaige Gespräche“.

Doch der dürfte schwer zu erreichen sein, denn die Hintermänner der Firma „AF I Originator“, die Altschulden aus der Pleite des früheren Grundeigentümers erwarben, geben sich wortkarg. Für sie sprechen Anwälte, die auch Eingaben in das vor Kurzem abgeschlossene Beteiligungsverfahren gemacht hatten.

Als „Bürger 41“ sind diese Anwälte aufgeführt, ihre Eingaben füllen Dutzende der mehr als 250 Seiten mit Meinungen und Einsprüchen von Berlinern zum vorliegenden Entwurf des Bebauungsplans. Zu jedem einzelnen Beitrag hat der Senat sich geäußert.

Zwar sind die Klarnamen nicht genannt, aber unter „Bürger 41“ sind die Rechtsanwälte einer Firma versammelt, die die Anwälte als „Investor“ der Grundstücke bezeichnen: „Unsere Mandanten haben die Grundstücke erworben“, schreiben sie – und dass die Senatspläne gegen ihr Eigentumsrecht verstießen und in vielen weiteren Belangen fehlerhaft seien.

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Neben diesem Gläubiger gibt es auch das Unternehmen Trockland, das am Checkpoint Charlie bauen will. Der Senat hatte die enge Kooperation mit Trockland aber vor mehr als einem Jahr gestoppt.

Jetzt erklärt der Senat dazu: „Richtig ist, dass das Bebauungsplanverfahren mit einem Investor gemeinsam begonnen wurde, der Eigentümer werden wollte und mit dem ein städtebaulicher Vertrag abgeschlossen werden sollte“. Und die Senatsverwaltung präzisiert: „In Folge des Partizipationsverfahrens und der Meinungsbildung in der Stadtgesellschaft ist das öffentliche Interesse an den Flächen in den Fokus gerückt.“

Land hält sich nicht an gemeinsame Überlegungen

Kurzum, das Land sieht sich nicht gebunden an frühere gemeinsame Überlegungen mit „Trockland“, auch wenn diese schriftlich festgehalten worden waren in einer Absichtserklärung zu früheren Plänen. Diese „letter of intent“ hatte der Senat bisher nur mit „Trockland“ abgeschlossen.

Aber wie der Senat weiter schreibt, seien beide Partner – Absichtserklärung hin oder her – damals übereingekommen, „nicht in die planungsrechtliche und baurechtliche Hoheit der rechtlich zuständigen Stellen des Landes einzugreifen“. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestätigte dies auf Anfrage und schreibt: „Eigentumsrechtliche Fragen sind in der Regel nicht relevant bei der Aufstellung eines Bebauungsplans durch die Gemeinde“.

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Damit widersprach die Verwaltung den Rechtsanwälten, die in ihrer Eingabe unverhohlen drohten, dass „die privaten Belange des Eigentümers nicht hinreichend berücksichtigt“ seien, was einen „erheblichen Eingriff in die Rechte des Eigentümers“ darstellte. Aber wer ist dieser Eigentümer, ist es Trockland? In den Grundbüchern standen der Insolvenzverwalter sowie eine Firma, die Altschulden aufgekauft hatte – nicht aber Trockland. Die Sache ist vertrackt.

Und in diese Kerbe schlägt die Finanzverwaltung und verlangt das in der Kürze der Zeit wohl Unmögliche: eine „abschließende Klärung aller offenen Fragen“ – sowohl mit dem „Grundstückseigentümer“ als auch mit dem „Grundschuldgläubiger“. Dabei hatte die Finanzverwaltung bisher immer selbst mit Trockland verhandelt, auch den Text zur Absichtserklärung, laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung „federführend“ und „von Anfang an“.

Pünktlich zum Mauerfalljubiläum und dem Abzug von Schauspielern in US-Uniformen, die vom Ordnungsamt kürzlich des Platzes verwiesen wurden, ist mit Forderungen der Finanzverwaltung, die sich auf Anfragen bis Redaktionsschluss nicht äußerte, die Zukunft des weltweit berühmten früheren Grenzübergangs zwischen Ost- und West-Berlin wieder völlig ungewiss.

Am Checkpoint standen sich im Kalten Krieg russische und US-amerikanische Panzer schussbereit gegenüber. Und die Nachkriegslücken sind bis heute nur deshalb erhalten, weil sich nach der Wende ein Eigentümer der Bauflächen verspekulierte und pleiteging. Wegen dieser Laune des Marktes entstand eine Pilgerstätte für Touristen auf den Spuren von Spionen und Spinnereien, die Gaukler und Ganoven zum Besten geben, um Berlins Geschichte zu Geld zu machen.

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