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Berlin: Wie im Süden

Die Seen bei Caputh ziehen Ausflügler und Bootsfahrer magisch an, schon Albert Einstein war in sie verliebt Manchmal schillert ihr Gewässer in vielen Farben und wirkt nicht nur schön, sondern auch geheimnisvoll

Achselzucken, Augenrollen, Stirnrunzeln. Sollen wir es wagen? Viel Zeit zum Überlegen bleibt nicht. Ein Kopfnicken – mit hohem Tempo stechen die Paddel ins Wasser. Das Boot gewinnt rasch an Fahrt, dennoch kommt die Gefahr immer näher. Mit letzten Kraftreserven gelingt schließlich der Sieg – über die Seilfähre Caputh.

Es war natürlich nur ein Spaß. Wir hätten im Kanu in aller Ruhe auch bis zur Vorbeifahrt von „Tussy II“ warten können. Kaum zwei Minuten dauert ihre Passage durch das Caputher Gemünde. Hier zwängt sich die Havel auf ihrem Weg von Potsdam in den Schwielowsee und weiter Richtung Werder in ein schmales Bett. Aber so ein Nervenkitzel muss ab und zu sein. Es ging auch ein wenig um die Ehre, denn im herrlichen Wassersportrevier rund um Potsdam haben es „Muskel-Boote“ manchmal nicht leicht. Manche abfällige Bemerkung fällt von Bord der Yachten und Hausboote zu den „Nussschalen“ hinunter. Da tut es gut, die wartenden Boote vor der Fähre mit kräftigen Schlägen zu überholen.

Außerdem spornen uns die Zuschauer am Caputher Gemünde an. Sie tummeln sich auf den Promenaden und Uferwegen, im Biergarten und auf der Veranda des Fährhauses, denn das Gemünde scheint die Menschen magisch anzuziehen. Wer an einem schönen Tag einen Balkonplatz im alten Fährhaus ergattern konnte, gibt ihn nicht so schnell wieder her. Die Bilder der vorbeifahrenden großen, kleinen, teuren, uralten, modernen oder klapprigen Boote sind faszinierend.

Und natürlich werden rund um die Fähre jede Menge Episoden erzählt. Dazu gehört die Geschichte von einem Autofahrer, dessen Navigationsgerät an einem Dezembertag statt der Fähre eine Brücke angezeigt hatte. Mit hohem Tempo gab er am Fährhaus in Richtung Geltow Gas – und fand sich Sekunden später in den kalten Fluten wieder. Die Fähre wartete unterdessen am anderen Ufer.

„Die Fähre in Caputh ist kaputt“ lautet eine beliebte und besonders betonte Radionachricht. Doch zur Freude der vielen Ausflügler kommt dies selten vor. Dafür gibt es anderen Grund zum Schmunzeln. Die Hotel- und Ferienhausanlage „Resort Schwielowsee“ bei Baumgartenbrück musste ausgerechnet ihre zum Aushängeschild gekürten Pfahlbauten im Wasser kurz vor der Eröffnung umsetzen. Deren Terrassen über dem See sollten karibische Stimmung verbreiten. Aber das widersprach der Baugenehmigung. Aus Gründen des Naturschutzes darf man gar nicht ins Wasser hinaus bauen. Also wurden musdie fertigen Pfahlbauten per Kran mühsam angehoben und 50 Meter landeinwärts abgesetzt. Nun besitzt das Resort zwar wunderschöne Pfahlbauten, sie stehen aber ziemlich unvermittelt auf dem festen Ufer.

Die Tagesbesucher stört es wenig. Sie sitzen meist im Hafenrestaurant „Ernest“, das im Innern tatsächlich an Ernest Hemingway erinnert, oder leihen sich ein Boot aus. Damit geht es dann raus auf den Schwielowsee bis zum Caputher Gemünde. „Der See ist nicht nur schön, sondern auch geheimnisvoll“, sagt Henning Krentz von der Potsdamer Seglersportgemeinschaft. „Wer das Wasser genau beobachtet, stellt unterschiedliche Farbschattierungen fest.“ Das liegt an den Sandbänken, an denen man mitten im See aussteigen kann.

Auch der berühmteste Segler der Region, der Physiker Albert Einstein, liebte solche Touren. Am Templiner See genoss er in seinem Sommerhaus zwischen 1929 und 1932 nicht nur die schöne Aussicht aufs Wasser. Das Genie fuhr so oft wie möglich mit seinem „dicken Segelboot“ hinaus auf die Havelseen.

Sein Jollenkreuzer war mit einem Tisch für vier Personen, einem versenkbaren Kocher und einer Toilette ausgestattet. Und Papier und Bleistift befanden sich stets an Bord, weil der Physiker auf seinen Segeltouren gerne über wissenschaftliche Theorien nachdachte. Ganz wichtig auch: der von außen unsichtbare Hilfsmotor. Denn Rudern war nicht Einsteins Welt. 1927 musste er bei bei einem Segeltörn wegen einer Flaute so kräftig rudern, dass er sich völlig überanstrengte.

So tuckerte er denn lieber los auf seine Caputher Seen und schrieb später an einen Freund: „Es ist ein Paradies!“

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