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Heimathafen: Die Band "Wedding" vor ihrer Stammgastronomie, dem Grenz-Eck.

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Wie klingt der Wedding? Ein Konzertbesuch: „Was sind schon fünfzig Jahre?“

Wedding, das war ein Bezirk, das ist ein Stadtteil. Wedding, das ist aber auch eine Band. "Wedding" - fünf nicht mehr ganz junge Herren, die zusammen Blues spielen. Und wie klingt dieser Wedding nun? Wir haben mal hingehört. Ein Konzertbesuch.

Der Wedding ist nicht so leicht zu finden. „Haus 10, Aufgang 6“, hat der Pförtner gebrummt, und vage durch die Scheibe Richtung Hofeinfahrt gezeigt. Und dann tappt man durch die Dunkelheit irgendwo hinter der Deutschen Welle, der Wind saust viel zu kalt für Jahres- und Uhrzeit um den mächtigen Backstein, bis sie endlich in Sicht kommt, die Tür mit der richtigen Zahlenkombination, schwach leuchtend immerhin und nur halb versteckt.

Drinnen, im Aufnahmestudio des Offenen Kanals, der seit einigen Jahren Alex TV heißt, ist schon alles gerichtet. 15, vielleicht 20 Leute sitzen auf Stühlen. Auf der sonst leeren Bühne stehen herum: vier Gitarren, ein Kontrabass, ein E-Bass, leicht erhöht ein Schlagzeug-Set, zwei Mikrostangen. Hier tritt sie jetzt gleich auf, die Band, die sich "Wedding" nennt. Fünf Männer mittleren bis höheren Alters, die sich vor einigen Jahren zusammengefunden, sich tatsächlich nach diesem, ihrem Stadtteil benannt und dann auch stilecht vor dem „Grenz-Eck“ fürs Bandfoto posiert haben.

Wie klingt der Wedding? Dafür sind wir hergekommen.

"Ein paar alte Säcke mit guter Musik"

Wegen der Musik, dem Sound, nicht so sehr wegen des Drumherum, und, ehrlich gesagt, auch nicht wegen der Sendung, in der Wedding auftreten, "kaffee bankrott", ein monatliches Talk-Format zugunsten der Obdachlosenzeitung "strassenfeger". Der Offene Kanal, das ist natürlich auch der Sender, wo Amateure so tun als seien sie Profis, was oft genug unfreiwillig komisch wirkt. Es ist dies keine sonderlich große Welt, eher ein Mikrokosmos, das gilt gleichermaßen für die Beteiligten wie die Zuseher. Und so darf es einen nicht überraschen, dass der Moderator des Abends, ein stämmiger Glatzkopf mit einem Um-den-Mund-Bärtchen, das die meisten Frühvierziger vor zehn Jahren aufhören zu trugen, nacheinander „einen guten Freund“ und „einen sehr guten Freund“ als Gesprächspartner auf die grün gestrichene Holzbank unter dem aufgeklebten Vollmond bittet, während sein Sohn praktischerweise den Ton mischt. Ist, wie gesagt, aller Ehren wert.

Alte Freunde: Uwe Arens (l.) und Peter Behne von "Wedding" beim Musizieren im Freizeit-Outfit
Alte Freunde: Uwe Arens (l.) und Peter Behne von "Wedding" beim Musizieren im Freizeit-Outfit

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Nun aber zu Wedding. Die zwischen den Ausführungen der Gäste immer mal wieder einen Song zum Besten geben dürfen. Moderator: „Und jetzt freue ich mich einfach - Peter, sieh's mir nach - auf ein paar alte Säcke mit guter Musik!“

Und dann stehen sie da, fünf Männer, die zusammen, so heißt es, 300 Jahre Leben auf die Bühne mitgebracht haben, und 200 Jahre Musikmachen, aber das kann irgendwie nicht ganz stimmen, die erste Zahl müsste doch niedriger sein, die zweite höher. Nun gut, egal, wichtig ist: Wedding, das sind keine Amateure. Alle Bandmitglieder haben ein Leben voller Musik gelebt, am weitesten hinaus hat es Drummer Toni Nissl gebracht, der mit Rio Reiser, Westernhagen und später Marianne Rosenberg getourt ist und sogar mal in einem Kevin-Spacey-Film den Schlagzeuger gegeben hat. Gitarrist Uwe Arens war Anfang der 80er Mitglied bei Zatopek, der Band von Sven Regener, bevor der mit Element of Crime durchstartete. Frontmann und Sänger von Wedding schließlich ist Peter Behne, der im dunklen Anzug und im Nacken sitzenden Hütchen noch ein bisschen steif da steht, in den Sekunden bevor es richtig losgeht, sich kurz und kaum merklich um die eigene Achse windet, als wäre er doch erst 16 und das sein erster Gig mit der Schulband, manches ändert sich eben doch nie, und dann schließlich doch zu singen beginnt.

Bordsteine und Schwalben und Kneipen

Wedding klingt erst mal ein bisschen heiser.

Macht aber gar nichts, denn der kurze Moment, in dem man befürchtet, dass es gleich ganz schlimm wird, ist völlig unbegründet. Sie sind nicht schlecht, wirklich nicht, und auch nicht kitschig, sie spielen, wie man spätestens beim zweiten Song merkt, hier einen in Würde gealterten, grundsoliden Blues, im Laufe des Abends immer öfter durchsetzt mit flinken, fehlerfreien Soli, und nicht mal die deutschen Texte ziehen alles herunter, was ja immer ganz schnell passieren kann. Nein, eingebettet in den ehrlichen 200-Jahre-Sound seiner Kompagnons darf Behne ganz problemlos von verlorenen Nächten singen und von Bremsen, die gezogen werden müssten, aber natürlich erst mal bleiben, wo sie sind, von Bordsteinen und Schwalben und üblen Kneipennächten und Betrunkenheit, und dann steuert the band called Wedding schon auf eine lang gezogene Ballade hin, „Was sind schon zwanzig Jahre für den Wind?“, das ist der Refrain, und die Zahl steigt mit jedem Umlauf, zwanzig, fünfzig, hundert Jahre, und dies nun sind die Takte, die einem im Ohr bleiben werden, ein paar Takte, ein paar Worte, aber das ist doch schon was.

Und natürlich wirken die Stücke live hundert Mal besser als aufgenommen und sauber abgemischt. Und natürlich stimmt das, was Behne zwischen zwei Songs sagt, und man wünscht sich dann sogar, dass so manche Band, die eine Million Mal mehr Fans hat als die guten, alten Jungs von Wedding, das einfach genauso machen würde: „Wir können nichts anderes, als über das schreiben, was wir erleben.“

Wedding im Netz
Wedding anhören bei Soundcloud

Die nächsten Auftritte:

12. Oktober 2013, 21 Uhr
freundlich und kompetent, Gertigstr. 57, 22303 Hamburg

15. November 2013, 20 Uhr
Die Hofkneipe, Behler Weg 11, 24329 Grebin

16. November 2013, 21 Uhr
mobile blues club, Schulterblatt 102, 20354 Hamburg

21. November 2013
Café Lyrik, Kollwitzstr. 97, 10435 Berlin

Dem Autor bei Twitter folgen: @johehr

Dieser Artikel erscheint auf dem Wedding Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegel.

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