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Berlin: Wie man ein Hochhaus flachlegt

Am Spreebogen werden die Bürobauten errichtet, die den neuen Hauptbahnhof künftig als Bügel überspannen. Der Namenszusatz „Lehrter Bahnhof“ fällt weg

Die Kräne stehen so dicht beieinander, dass sie sich bei einer falschen Bewegung gegenseitig umkippen würden. Dazwischen werden Lastwagen entladen, Gerüste gebaut, Stahlträger verschweißt und die Betondecken der Bügelbauten gegossen, die den künftigen Berliner Hauptbahnhof überspannen sollen. Der erste der beiden Bürobügel hat seine maximale Höhe von 70 Metern gerade erreicht. Bald wird er wieder flacher werden, denn das Gebäude wird hochkant montiert – und in einer spektakulären Aktion als Brücke über den Bahnhof gelegt.

Am 29. Juli um 22 Uhr wird die komplette Stadtbahntrasse gesperrt. Dann bleiben Projektleiter Hany Azer und seinen Leuten 54 Stunden Zeit, um die Segmente zur Mitte hin zu kippen. Azer sagt lieber „absenken“, weil ihm das kontrollierter klingt. Jedenfalls werden zwei jeweils 43,5 Meter lange Segmente von rechts und links her synchron über den Bahnhof gelegt, verschweißt und verschraubt. Erlaubte Toleranz: zwei Zentimeter. Mit der Leistung würde Azer garantiert Wettkönig bei „Wetten, dass...“

Am Montagmorgen, dem 1. August, wird die Trasse wieder freigegeben – und vom 12. abends bis 15. August morgens noch einmal gesperrt, damit der zweite Bügel auf gleiche Weise zusammengefügt werden kann. 1200 Tonnen wiegt jedes der insgesamt vier Teile. Jedes schwenkt um ein 20 Zentimeter dickes Scharnier. An diesen und an einer computergesteuerten Hydraulik hängt alles: Vier Stahlseilbündel à 30 Zentimeter kippen die Quader an, acht weitere bewahren sie vor dem Umfallen. Die Bauleute scheinen selber zu staunen bei der Vorstellung, dass das alles so funktionieren soll. Dabei sieht die eigentliche Bahnhofshalle ein Jahr vor der Eröffnung schon beinahe komplett aus: Bahnsteige, Signale, Sitzbänke – alles da. Nur die Schilder für den Bahnhofsnamen sind noch leer.

Berlin-Hauptbahnhof, soll es auf den Tafeln demnächst schlicht heißen. Nach mehrjährigem Gezerre um den Namen will die Bahn jetzt auf den Untertitel „Lehrter Bahnhof“ verzichten, sagte Sprecher Holger Auferkamp am Freitag. Am Vortag hatte sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bei einer Besichtigung für Hauptbahnhof ausgesprochen.

2002 hatte es eine Volksabstimmung gegeben: Die Mehrheit sprach sich für „Lehrter Bahnhof“ aus. Auch Bundeskanzler Schröder plädierte für den Traditionsnamen von 1871, die Mehrheit der Tagesspiegel-Leser ebenfalls. Die Bahn ignorierte das und erfand das 32-buchstabige Bindestrich-Ungetüm „Berlin Hauptbahnhof – Lehrter Bahnhof“. Nun also doch „Hauptbahnhof“ – einen solchen gab es übrigens schon: 1987 hatte die SED den Ostbahnhof so geadelt, 1998 wurden dort die Schilder wieder abgeschraubt. obs/Ha

Am Sonnabend, 28. Mai, lädt die Bahn von 12 bis 18 Uhr zum Info-Tag auf die Bahnhöfe Papestraße, Potsdamer Platz und Hauptbahnhof-Lehrter Bahnhof.

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