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Berlin: Wie man Nachteulen anzieht: "Doris Disse" verantstaltet Themenparties für Schwule. Das ist gar nicht mal so einfach

Der Schlüsselreiz ist eindeutig. Wenn kein halbnackter, muskelbepackter Kerl auf dem Flyer ist, dann kommen die Schwulen auch nicht.

Der Schlüsselreiz ist eindeutig. Wenn kein halbnackter, muskelbepackter Kerl auf dem Flyer ist, dann kommen die Schwulen auch nicht. Zwar weiß jeder versierte Homosexuelle, dass diese Halbgötter aufgrund ihrer Computerbearbeitung nur eine virtuelle Existenz genießen, aber die Hoffnung bleibt und treibt das schwule Ausgehvolk zu den entsprechenden Partys.

Das weiß auch Doris Disse, der eigentlich Dieter Dicken heißt und seit vier Jahren die schwule Gemeinde mit Themenpartys erfreut, die an eben diesen nackten Kerlen auf den Flyern zu erkennen sind. "Club 69" im Schwuz, "Houseboys" und "Calipso 3000" in der Kalkscheune und demnächst auch noch eine Jugenddisco namens "Sweathard": all dies entspringt seinen Ideen und seinen Vorstellungen von Abendunterhaltung. "Ich fing vor vier Jahren mit dem Club 69 an", erzählt Doris Disse, "weil die Musik, die ich hören wollte, nirgendwo gespielt wurde".

Und die Musik, die er hören wollte, waren Schlager der härteren Gangart: Gitte im Duett mit Rex Gildo, Dalida, Wenke Myrrhe. Dazu bietet der "Club 69" Bars, die Dieter Thomas Heck, Alexandra oder einfach nur dem Oster Hasi gewidmet sind. Voraussetzung für den Erfolg einer Party ist hierbei aber nicht das Konzept. "Entscheidend ist das Geld, das man hat. Bei einem Eintritt von 15 Mark, können wir außer ein bisschen Dekoration nicht viel bieten. Da die Getränkeeinnahmen der jeweilige Veranstaltungsort kassiert, bleibt nicht viel übrig."

So wird er weiterhin tagsüber als Grafiker arbeiten, um sein Hobby zu finanzieren. Dass er diese Veranstaltungen allein aus Spaß und Leidenschaft macht, ist zumindest dem "Club 69" anzumerken. Partys mit integrierter Demütigung der Gäste liegen ihm nicht. Doris Disses Motto ist Freundlichkeit. Jeder Gast ist willkommen und wird von netten Transen nett behandelt.

Die Schwulen danken ihm dies durch zahlreiches Erscheinen, der "Club 69" ist regelmäßig am ersten Freitag im Monat rappelvoll. Dennoch unterscheiden sich die diversen Partys, abgesehen von ihrem Namen, immer weniger. Allein in den Themenbars des von ihm arrangierten Partygeheges läuft tatsächlich die versprochene Musik, immer mehr House-Musik verwässert das jeweilige Motto. Zwar wird die Kalkscheune einmal im Monat mit einigen Latino Pin-Ups dekoriert, den südamerikanischen Charakter der "Calipso 3000"-Party sucht man aber vergeblich. Ebenso wie das Publikum. Bisher offenbarte sich Doris Disses neues Latino-Ereignis als Flop. "Calipso fand nun zweimal statt", erzählt er, "und war an beiden Abenden ein Verlust. Wenn sich das nicht bald ändert, bekommen wir Probleme".

Das Überangebot von Themenpartys in der Stadt mag das Interesse der schwulen Gäste zusätzlich schmälern. So kann der ausgehwillige Schwule nicht allein zu Doris Disse pilgern, sondern auch zum "Pink Tuesday" ins Far Out, zur "Lava Lounge" ins "90 Grad" und natürlich zur "Cocker Party" in das Restaurant Schwangere Auster an der Kongresshalle.

Doris Disse: "Die Schwulen sind Herdentiere. Sie gehen nur zu den Events, die sie kennen oder die irgendwelche Freunde empfehlen. Sie erwarten sechs Stunden Voll-Entertainment, möchten aber nicht mehr als 15 Mark zahlen." Zudem reagieren sie leicht allergisch bei einem Überangebot von Frauen und heterosexuellen Männern. "Die meisten Schwulen wollen unter sich bleiben", sagt Doris Disse. "Dabei kommt es auf die Mischung an. Und Frauen sind eindeutig das Salz in der Suppe".

Das eigentliche Salz in der Suppe besteht aber wohl eher in der Illusion, an etwas Besonderem teilzunehmen. Ein Club, der nur Musik bietet und kein Motto hat oder etwaige Aussicht auf Sex in schummrigen Nebenräumen, hat kaum Chancen, sich zu etablieren. Deshalb finden Partys von Doris Disse nur einmal im Monat statt, damit sich das Konzept nicht abnutzt und die Gäste auch weiterhin kommen. Und bei den nackten Leibern auf den Flyern werden die Schwulen auch genau das tun.

Michael Zöllner

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