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Oberkommissar Michael Kühl ist Ansprechpartner für Seniorensicherheit beim Landeskriminalamt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wie sich Senioren vor Straftaten schützen können: „Eine Generation, die oft viel Geld zu Hause hat“

Oberkommissar Michael Kühl von der Berliner Polizei erklärt, warum Senioren als Opfer gewählt werden – und wie man sich schützt.

Herr Kühl, absolut gesehen wird die Altersgruppe ab 60 eher selten Opfer einer Straftat. Warum ist Kriminalprävention für Senioren dennoch so wichtig?

Senioren werden wesentlich weniger Opfer von Straftaten, aber sie sind besonders durch Tricktäter gefährdet. Diese Themen: der Enkeltrick, der falsche Polizeibeamte am Telefon oder falsche Kriminalbeamte, die die Senioren an der Haustür abfangen. Oder die ganzen Taten, bei denen die Täter unter Vorspielen einer Legende versuchen, in die Wohnung eines älteren Menschen zu gelangen, ihn dort abzulenken und dann zu bestehlen.

Warum scheinen für manche Täter Senioren die idealen Opfer zu sein?

Senioren gehören einer Generation an, die oft noch Bargeld zu Hause hat, wo alter Familienschmuck da ist, wo vielleicht auch einmal Gold gesammelt wurde, als Wertanlage. Sie gehen nicht mehr so häufig zur Bank, sondern heben gleich eine größere Geldsumme ab und bewahren die dann zu Hause auf. Oft leben Senioren alleine. Für den Täter bedeutet das: keine Zeugen, niemand, mit dem sich das Opfer besprechen kann. Senioren sind eine sehr hilfsbereite Bevölkerungsgruppe.

Viele von ihnen haben schwere Zeiten mitgemacht und wissen, wie es ist, wenn es mal nicht so gut läuft, und helfen dann, auch Fremden. Und es können natürlich auch gesundheitliche Einschränkungen vorliegen, man hört oder sieht nicht mehr so gut. Auch Vereinsamung kann eine Rolle spielen. Und gerade in Bezug auf den falschen Polizisten: Für viele Senioren ist das der alte Schutzmann – wenn der mich anspricht, dann glaube ich ihm, was er sagt, und widerspreche nicht, der beschützt mich ja. Das nutzen die Täter aus.

Auf welche Weise werden Senioren betrogen? Welche Fälle begegnen Ihnen da?

Momentan ist es sehr häufig der falsche Polizeibeamte am Telefon. Die Täter und Täterinnen rufen zu jeder Tageszeit an, also auch mitten in der Nacht. Die Betroffenen werden überrumpelt, sind mit der Situation oft überfordert. Dann sagt dieser Anrufer zum Beispiel: „Hier spricht die Kriminalpolizei.“ Die Täter vermitteln, dass ein Einbruch oder Überfall bevorstehe und das Geld zu Hause nicht mehr sicher sei. Natürlich entstehen bei den Opfern Ängste. Um den älteren Menschen zu „schützen“, schicken die Täter dann einen angeblichen Polizeibeamten vorbei, der das Geld und den Schmuck in Verwahrung nimmt – die echte Polizei würde niemals Geld oder Schmuck von möglichen Opfern in Verwahrung nehmen.

So ähnlich funktioniert auch der Trick vor der Haustür, wo angebliche Kriminalbeamte ihre Opfer ansprechen und erzählen, in dem Haus sei eingebrochen worden. Um zu kontrollieren, ob auch bei der Seniorin oder dem Senior eingebrochen wurde, verlangen sie dann von ihnen, ihre Wohnungstür zu öffnen. Und schon hat man die Tricktäter in der Wohnung. Meistens kommen sie zu zweit, einer kann dann den Bewohner ablenken, während der andere die Wertsachen einsammelt.

Und was ist mit dem Enkeltrick oder falschen Handwerkern?

Enkeltrick – die Bezeichnung ist eigentlich unglücklich. Denn die Täter vermitteln am Telefon, jemand zu sein, den man kennt, nicht unbedingt das Enkelkind. Durch die geschickte Gesprächsführung der Täter ist man nach einiger Zeit in dem Glauben, einen alten Schulkameraden, den Arbeitskollegen oder auch ein Familienmitglied am Hörer zu haben. Und schon telefoniert man mit dem Betrüger, der dann über eine finanzielle Notlage klagt. Er bittet um Geld, das dann, weil der Anrufer gerade unabkömmlich ist, von einer dritten Person abgeholt wird. Täter, die als Handwerker auftreten, sagen zum Beispiel: „Im Haus gab es einen schweren Wasserschaden, wir müssen bei Ihnen in der Wohnung die Leitung überprüfen“, oder sie gaukeln vor, die Hausverwaltung hätte den Besuch ausgemacht.

In allen Fällen gilt: niemals einen Handwerker oder sonst irgendjemanden, den Sie nicht selbst bestellt haben, in die Wohnung lassen. Besser: sich rückversichern, indem man Hausmeister oder Hausverwaltung anruft, beim Nachbarn klingelt oder bei dem angeblichen Kriminalbeamten einfach selbst die Polizei vorab zur Bestätigung anruft. Ich empfehle in einer ruhigen Minute, sich die Telefonnummer des zuständigen Polizeiabschnittes für genau solche Falle vorab zu notieren. Natürlich darf man auch in dieser Situation den Notruf 110 wählen.

Bringt man sich damit nicht selbst in Gefahr?

Tricktäter arbeiten mit Tricks. Die möchten ohne Gewaltanwendung in die Wohnung gelangen, wenn sie dann etwas mitnehmen, ist das Diebstahl. Wendet der Täter Gewalt an und schubst sein Opfer in die Wohnung oder schlägt zu, wird daraus ein Raub, und das ist ein Verbrechenstatbestand, der mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Das Risiko gehen die Täter nur selten ein.

Wer steckt eigentlich hinter diesen Betrugsfällen? Sind das Einzeltäter oder sind die richtig organisiert?

Natürlich gibt es immer Trittbrettfahrer, aber in der Regel haben sich die Täter absolut auf diese Maschen spezialisiert. Enkeltricktäter arbeiten zum Großteil aus Polen, das sind dort richtige Clans. Sie schauen in Telefonbüchern nach alten deutschen Vornamen: Wir haben in Berlin etwa 900 000 Senioren, das ist für die Täter eine große Auswahl an Opfern.

Vielleicht durchschauen 20 Angerufene die Masche, der oder die 21. ist kurz unaufmerksam, fällt drauf rein – und schon hat der Täter gewonnen. Die falschen Polizisten rufen meist aus der Türkei an. Die arbeiten oft mit Datensätzen, die irgendwo verkauft wurden.

Kann man sich gegen solche Anrufe auch präventiv schützen?

Man kann zum Beispiel seinen Namen aus dem Telefonbuch nehmen lassen oder, wenn man häufiger zum Beispiel Gewinnanrufe oder Ähnliches bekommt, bei seinem Telefonanbieter eine neue Telefonnummer beantragen. Und danach dann mit der Nummer bitte ganz vorsichtig umgehen: auch zum Beispiel bei Preisausschreiben nicht die Telefonnummer angeben.

Wie klären Sie über diese Tricktäter auf?

Unser Hauptproblem ist, wie wir die Senioren erreichen. Viele Senioren sind in Sportvereinen, Kirchengemeinden oder Seniorenclubs engagiert. Die werden von uns regelmäßig angeschrieben und dort machen wir Informationsveranstaltungen. Auch viele Hausverwaltungen informieren ihre Mieter bei Veranstaltungen über diese Taten. Dort zeigen wir ganz konkret, wie die Täter vorgehen, wie man sich schützen kann und wie man im Ernstfall am besten reagiert.

Aber die Bürger zu erreichen, die sozial nirgendwo angebunden sind, ist schwer. Hier versuchen wir, die Hausgemeinschaft anzusprechen, zum Beispiel einen Kaffeeklatsch mit den älteren Bewohnern zu organisieren und mich dazu einzuladen. Dann kann ich in gemütlichem Rahmen darüber berichten, wie sich Senioren schützen können.

Und wirkt die Aufklärung?

Leider bekomme ich nur selten den Anruf: Ich habe den Täter durchschaut und mein Geld ist sicher. Aber es kommt vor. Ich bemerke bei den Vorträgen immer wieder, dass die Senioren eigentlich durch die Presse informiert sind, aber erst in einem persönlichen Vortragsgespräch erkennen, dass auch sie ein Opfer dieser Täter hätten werden können. Einen deutlichen Vorteil hat das Älterwerden: Senioren haben unglaublich viel Lebenserfahrung und Weisheit, haben ihren eigenen Sicherheitskreis abgesteckt. Aber die Täter sind sehr geschickt und manchmal hat man eben auch einfach einen schwachen Moment. Da hat man vielleicht gerade ein Medikament genommen und fühlt sich nicht so wohl. Die Opfer, das sind ja keine dummen Menschen, die Täter sind einfach nur so raffiniert und haben keinerlei Empathie.

Und eines ist ganz wichtig: Man hat keine Schuld, wenn man darauf reingefallen ist. Schuld hat immer nur der Täter. Ich kenne viele Fälle, bei denen sich die Betroffenen nicht trauen, darüber zu sprechen. Es ist ihnen peinlich, sie sagen: „Das kann ich meinen Kindern gar nicht erzählen, die lassen mich nicht mehr alleine wohnen.“ Aber das ist der falsche Weg, die Fälle müssen angezeigt werden und man muss darüber reden. Mit der Familie, mit vertrauten Personen oder auch mit uns, der Polizei.

Wie erreicht man Sie?

Wer Interesse an einer Informationsveranstaltung zur Seniorensicherheit hat, kann uns unter der Telefonnummer 030 46 64 97 92 22 erreichen. Sich vorab gezielt über das Thema zu informieren, hilft, den Tätern ein Schnippchen zu schlagen.

Anlässlich der 45. Seniorenwoche lädt die Polizei bis zum 11. September zu zahlreichen Info-Veranstaltungen zur Kriminalitätsvorbeugung. Eine Übersicht über die Termine gibt es hier. Einmal monatlich werden am Columbiadamm 4 in Tempelhof (U-Bhf. Platz der Luftbrücke) Präventionsveranstaltungen angeboten.

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