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Berlin: Wieder alles im Fluss

Von Rainer W. During Ihre Taufe hat die 4500 Kubikmeter Wasser fassende Schleusenkammer bereits bei einer ersten Flutungsprobe Anfang Juni bestanden.

Von Rainer W. During

Ihre Taufe hat die 4500 Kubikmeter Wasser fassende Schleusenkammer bereits bei einer ersten Flutungsprobe Anfang Juni bestanden. Bis zum letzten Tag wurde das Öffnen und Schließen der Schleusentore, das Zusammenspiel von Steuerung und Signaltechnik getestet, doch es handelte sich um „Routinearbeiten“, wie der Leiter des Berliner Wasserstraßen-Neubauamtes, Hans-Jürgen Heymann, betont. Am heutigen Montag wird die neue Spandauer Schleuse nun nach knapp vierjähriger Bauzeit ihrer Bestimmung übergeben. Unerwartete Probleme hatten das „Jahrhundertprojekt“ um ein halbes Jahr verzögert. Die Schwierigkeiten mit dem Baugrund verteuerten die Gesamtkosten von ursprünglich 55 Millionen Mark auf voraussichtlich 38 Millionen Euro.

Wegen der kurvenreichen Fahrstrecke wird sich die ursprünglich auf eine halbe Stunde veranschlagte Gesamtzeit des Schleusungsvorgangs – vom Ablegen des Schiffes an der Warteposition bis zur Ausfahrt aus der Kammer – voraussichtlich etwas verlängern. Wegen der unmittelbar benachbarten Zitadelle hatte man nach langen Diskussionen die Schleusenanlagen, die ohnehin schon doppelt so groß sind wie der Vorgängerbau, mit einem minimalen Eingriff ins Festungsvorfeld konzipiert.

Bis zum Eröffnungstag sollte auch noch die Slipanlage für Sportboote fertig gestellt werden. Nach einer Lösung wird dagegen noch für das geplante Pumpwerk gesucht, mit dem der durch die Schleusungen bedingte Wasserverlust der Oberhavel ausgeglichen werden soll. Der ursprüngliche Bau am Kolk musste gestoppt werden, weil entgegen der Gutachten Schäden an den historischen Gebäuden drohten. Ohne die befürchteten Probleme ist der Schleusenbau dagegen für die auf Pfählen stehende Zitadelle verlaufen. Auch hier waren zunächst Schäden an der alten Festung befürchtet worden. Während der gesamten Bauphase wurden permanent Messungen vorgenommen. Binnen vier Monaten war die alte Schleuse 1999 in einem schonenden Abrissverfahren mit über 1000 Einzelsprengungen zerlegt worden. Rund 9500 Kubikmeter Betonschutt, 1100 Kubikmeter Holz und 300 Tonnen Stahl wurden auf dem Wasserweg abtransportiert. Der neue Bau erwuchs aus 3100 Kubikmetern Beton und Stahlbeton, 1700 Tonnen Stahl sowie 496 Pfählen und Ankern.

Die 1911 errichtete Konstruktion war bereits im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und schließlich irreparabel geworden. Sie musste 1993 aus Sicherheitsgründen vollständig gesperrt werden. Unerwartete Probleme traten gleich zu Beginn des Neubaus auf. Beim Einpressen der Spundwände stieß man im Havelboden in zehn Metern Tiefe auf eine unerwartete Geröllschicht. Bis zu 80 Zentimeter große Findlinge mussten beseitigt werden. Deshalb konnte der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten werden.

Der Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt e.V. erhofft sich zwar neue wirtschaftliche Impulse für seine Klientel, doch habe sich in den knapp zehn Jahren seit Schließung der alten Schleuse das wirtschaftliche Umfeld „total verändert“. Da die Schifffahrtswege östlich der Elbe nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Binnenschifffahrt entsprächen, sei die Zahl der in der Region Berlin/Brandenburg verkehrenden Fahrzeuge immer geringer geworden. Die Umschlagsmengen von und nach Berlin hätten sich halbiert, erklärte der Verein mit Blick auf die Jahreskapazität der neuen Anlage – immerhin 8100 Güterschiffe pro Fahrtrichtung. Mit der Freigabe der 115 Meter langen und 12,5 Meter breiten Schleusenkammer entfällt für die Binnenschifffahrt nach neun Jahren endlich der lange Umweg über Spree und Hohenzollernkanal.

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