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Berlin: Wieder sperrte die Bahn ihre Fahrgäste im ICE ein

Der Zug blieb kurz vorm Bahnhof liegen, doch aus Sicherheitsgründen durfte niemand aussteigen. Erst nach vier Stunden kamen die Passagiere frei

Es fehlten nur noch wenige Meter bis zum Bahnhof, doch zweieinhalb Stunden ging es weder vor noch zurück: Erneut hat die Bahn ihre Fahrgäste in einem liegen gebliebenen Zug eingesperrt. Am Freitagmittag saßen 450 Reisende wenige Kilometer vor der Stadtgrenze fest, mit fast vier Stunden Verspätung kamen sie in Berlin an. Dabei hatte die Bahn erst kürzlich nach einer ähnlichen Panne angekündigt, dass sie ihre starre Haltung überdenken will. Am 30. April waren, wie mehrfach berichtet, rund 600 Fahrgäste vier Stunden in einem liegen gebliebenen ICE in Höhe Heerstraße eingesperrt gewesen. Aussteigen durften die Passagiere nicht – zu gefährlich; hatte die Bahn entschieden. Gegenüber dem Tagesspiegel kündigte die Bahn gestern an, dass demnächst eine Notfallübung stattfinden werde, bei der die Evakuierung eines liegen gebliebenen Zuges geprobt werden soll.

Am Freitag blieb es aber beim alten Prozedere: Mit einem abgerissenen Stromabnehmer blieb ICE 1611 um 14.12 Uhr wenige hundert Meter vor dem Regionalbahnhof Dallgow-Döberitz liegen. Ein vorausfahrender Zug hatte die Oberleitung beschädigt. Ohne Strom fiel automatisch die Klimaanlage im Zug aus, ebenso die Toiletten. Der Bundesgrenzschutz passte derweil auf, dass kein Fahrgast auf eigene Faust den Zug verlässt. Denn der Zug war im mittleren von drei Gleisen liegen geblieben. Um die Fahrgäste aus dem Zug zu holen, hätte man eines der Gleise sperren müssen, sagte Bahnsprecher Burkhard Ahlert – und die 450 Menschen hätte man ja anschließend auch irgendwie aus Dallgow nach Berlin bringen müssen. Die Gleissperrung hätte zudem für viele weitere Passagiere lange Verspätungen bedeutet. Aus diesen Gründen sei die Entscheidung gefallen, auf die Abschlepplok zu warten.

So passierte aus Sicht der Fahrgäste lange Zeit nichts. Denn die nach Besichtigung des Schadens nach 20 Minuten vom ICE-Lokführer angeforderte AbschleppLokomotive ist in Berlin-Rummelsburg stationiert – ganz weit weg also. Diese Lok fuhr um 15.19 Uhr in Rummelsburg los und brauchte exakt eine Stunde bis zum ICE. Eine weitere gute halbe Stunde wurde benötigt, um mit einer speziellen Notkupplung die Diesellok mit dem ICE zu verbinden. Um 16.55 Uhr fuhr der Verband mit wenig mehr als Schritttempo los. Berlin-Ostbahnhof erreichten die Fahrgäste um 18.14 Uhr (fahrplanmäßig: 14.29 Uhr). Bahnsprecher Burkhard Ahlert bestätigte gestern, dass in Berlin nur eine Diesellok für derartige Abschleppmanöver bereitsteht. Wieso nicht eine der gleichartigen Dieselloks vom nahe gelegenen Rangierbahnhof Wustermark angefordert wurde, konnte Ahlert nicht sagen – und auch nicht, ob der Bahnvorstand weitere Konsequenzen zieht.

Die Oberleitung bei Dallgow war am Freitag erst um 21.40 Uhr repariert. Dadurch verspäteten sich insgesamt 141 Züge um zusammengerechnet 2663 Minuten. Was sich in der Bilanz der Bahn gar nicht gut machen dürfte. Im vergangenen Jahr ist sie nach eigenen Angaben deutlich pünktlicher geworden.

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