zum Hauptinhalt

Berlin: Winkewinke mit Playback

Zum Abschied von Entertainer Heinz Quermann kamen alle Ost-Stars – und sein Freund Roberto Blanco

Zeitreise rückwärts im Friedrichstadtpalast: zehn Euro Eintritt, ausverkauftes Haus, erwartungsvolle Stimmung. „Weshalb wir kommen? Um unsere Künstler alle mal wiederzusehen, und natürlich wegen Heinz Quermann“, sagt ein älteres Ehepaar. Quermann ist tot, aber er ist immer dabei, den ganzen langen Abend. Die Bühne schwimmt in dezentem Dunkelrot, auf einem riesigen Bildschirm lächelt uns der aktivste und einflussreichste Mann der heiteren Muse in der einstigen DDR entgegen – eine Art Generaldirektor des Kombinats Unterhaltung in Funk und Fernsehen.

Der Moderator, Redakteur, Regisseur, Autor, Komödiant, Talenteförderer und Conferencier war kürzlich im Alter von 82 Jahren gestorben. Alzheimer. Nun wollen ihn Künstler ehren, die von ihm entdeckt und gefördert wurden oder die mit „Heinz, dem Quermann“ vor und hinter den Kulissen zu tun hatten. Mit heißer Nadel wird ein Programm von 35 Titeln gestrickt, ohne Orchester, das meiste mit Playback, und manch einer steht ziemlich verloren auf der großen Bühne. Aber auch das erinnert an den umtriebigen Wirbelwind mit der schlagfertigen „Gusche“: Quermann konnte volle Säle und ganze Stadien mühelos dirigieren. Ein Magier, Macher und Manager.

Die Sängerin Dagmar Frederic empfindet es als Ehre, als Erste dem „Freund, Mäzen und Kollegen“ ein Lied zu singen. So geht das dann den ganzen Abend. Vertraute Namen, vergessene Lieder, Wiedersehen mit Sängern, die längst keine Grenzen mehr daran hindern, ihre Schlager in die weite Welt hinaus zu trällern. Die meisten Lieder und Interpreten hat „unser Heinz“ in den Äther geschickt: Hauff/Henkler singen „Tu ten vas“, Monika Herz den „Kleinen Vogel“, Dagmar Gelbke erinnert an Helga Hahnemann, Gerd Christian scheint besser in Form denn je („Sag ihr auch“) und Regina Thoss küsst noch einmal das Meer, was ihr zu Ostseewochen-Zeiten einen Grand Prix eintrug. Haare altern grau – Stimmen nicht: Julia Axen, Lutz Jahoda und Peter Wieland beweisen das. Wieland, Jahrgang 1930, hat Quermann schon 1946 am Stadttheater Köthen erlebt, „er mit Horst Tappert auf der Bühne, ich im Parkett“. Schon damals machte Quermann alles, um die Leute zu erheitern: Der städtische Kulturdezernent namens Bär schwängerte eine Tänzerin, und Quermann verkündete von der Bühne herab, dass in Köthen alles ganz anders sei: „Hier bringt nicht der Storch die Kinder, sondern der Bär.“ Der Bär flog raus, Quermann die Treppe hoch.

Der Sopran von Counter-Tenor Jochen Kowalski entzückte den Talente-Vater zuerst „vor ungefähr 120 Jahren“ in der Sendung „Herzklopfen kostenlos“. Zu Ehren des Mannes, der am Start seiner Weltkarriere stand, sang Jochen Kowalski sichtlich bewegt jenes Lied, das ihm auch damals den Weg auf die Bühnen und in die TV-Studios geebnet hatte: „Ach, ich habe sie verloren.“

Witzig war es schon, wenn Quermanns Stimme die Künstler ansagte – andersherum kamen Bildschirm-Grüße in den Saal. Freddy Quinn bekannte: „Du bist für mich der Größte.“ Um das direkt zu sagen, waren Nina Lizell und Roberto Blanco angereist, und Roberto wollte seinem Freund beweisen, dass er mehr kann als „ein bisschen Spaß“: „Old Man River“ und „Summertime“ ließen das Publikum ebenso jubeln wie das „Montanara“ des Dresdner 100-Mann-Bergsteigerchors Kurt Schlosser.

Quermanns Tochter Petra Werner erlebte den Abend gefasst und dankbar für diese Art der Ehrung eines Lebenswerks. „Und genauso hätte mein Vater das Programm inszeniert, genauso.“ Und er hätte, wie hier, am Ende gesagt: „Tschüss und winkewinke!“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false