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© dpa

Winter: Frostige Zeiten

Minus 17 Grad, da bleibt man lieber zu Hause – oder entwickelt eigene Wärmestrategien. Experten raten, viel zu trinken - aber keinen Alkohol oder Kaffee.

Der Zoo hat ungebetenen Besuch: Auf einer kleinen Holzbrücke haben sich Graureiher postiert und beobachten einen Tierpfleger, der immer wieder in einen Eimer greift und eine Handvoll Fische auf den Ententeich unter ihm wirft. Wenn ein Stück daneben landet, stürzen sie sich darauf. Die grauen Vögel mit den langen Schnäbeln stehen nicht auf der Fütterungsliste, sie haben sich selbst eingeladen. „Die kommen von umherliegenden, zugefrorenen Seen und wissen, dass es hier umsonst Essen gibt“, sagt ein Zoo-Angestellter. Er muss deshalb dreimal so viel Nahrung verfüttern.

Menschliche Besucher sind im Zoo nicht viele anzutreffen an diesem klirrend kalten Sonntag. Die meisten Straßen sind leer. Zwar freuen sich angeblich 70 Prozent der Deutschen über den kalten Winter, wie ein Meinungsforschungsinstitut ermittelt hat. Doch dieses Wochenende scheint die Mehrheit der Deutschen den unnötigen Gang nach draußen zu meiden – minus 11 bis minus 17 Grad sind einfach unerträglich. Länger als eine halbe Stunde hält man es kaum aus.

Die Berliner, die im Freien arbeiten müssen, haben ihre eigenen Wärmestrategien entwickelt. „Das ist der kälteste Winter bisher“, sagt Trödelhändler Micky, einer der wenigen, die ihren Stand auf dem Flohmarkt an der Straße des 17. Juni aufgebaut haben. Der Mann vom Antiquitätenstand arbeitet seit den frühen Morgenstunden im Freien. Um gegen die Kältestarre anzukommen, hat er sich eine Heizung gebastelt – Marke Eigenbau: ein Heizstrahler am Boden an einer kleinen Gasflasche. „Das wärmt mir die Füße“, sagt Micky. Aber er friert trotzdem.

Skihosen und mehrere dicke Kleiderschichten übereinander: Aufpasser und andere Angestellte am Markt stehen so vermummt herum, holen sich immer wieder einen dampfenden Kaffee. „Positiv denken hilft“, sagt ein junger Ordnungshüter. Zwischen den einzelnen Ständen sind große Lücken – wie die Kundschaft ist auch das Angebot heute rar. Die meisten hartgesottenen Antiquitätensammler, die gekommen sind, suchen etwas Bestimmtes, wie etwa das Ehepaar Aumayer aus Hildesheim. Sie ist wegen des Knopfstands in der ersten Reihe da. „So preiswerte und tolle Knöpfe findet man sonst nirgendwo in Deutschland“, sagt sie. Weniger Glück hatte Waltraud Flacke. Die Charlottenburgerin suchte einen Rahmen für ein Gemälde, das sie kürzlich ersteigert hat. Doch der Stand, an dem sie bislang fündig wurde, war nicht da. Allein Hartmut Haagemann aus Lankwitz fand am Trödelmarkt eine große Auswahl: Zusammen mit seiner Frau suchte er eine schicke Pelzmütze für sich, die den ganzen Kopf wärmt, nachdem er in der Vornacht auf den Heimweg „halb erfroren“ sei.

Tatsächlich raten Experten Kopf, Hände und Füße unbedingt warm zu halten – sonst drohen bei den ungewohnten Temperaturen Erfrierungen und Unterkühlung. „Das Beste ist, im Haus zu bleiben“, rät das Deutsche Rote Kreuz. Wer draußen sein muss, sollte immer wieder Pausen einlegen, um sich aufzuwärmen. Ein weiterer Tipp: viel trinken. Allerdings keinen Alkohol oder Koffein, denn die Stoffe machen es dem Körper schwieriger, Wärme zu produzieren. Am besten seien warme Tees oder Wasser.

Gegen körperliche Ertüchtigung im Freien sei auch im kalten Winter nichts einzuwenden, sagen Mediziner. Zumindest, solange das Thermometer nicht unter die Marke von minus 15 Grad fällt. Ab dann kann Freiluftsport schaden, weil es dem Körper nicht gelingt, die eingeatmete Luft zu erwärmen, ehe sie die Lunge erreicht. Wer joggen will, sollte es zurzeit unbedingt langsam angehen. Mit zunehmender Kälte wächst der Reiz für Bronchien, Schleimhäute und Lungengefäße.

Ungemach droht bei dieser Kälte aber auch im Haus – wenn kein Wasser fließt. Die Wasserbetriebe mussten gestern doppelt so häufig wie sonst ausrücken, um Schäden an Rohren zu reparieren oder zugefrorene Hausanschlussleitungen freizumachen. Zumindest geheizt waren die Züge der Bahn, so dass Fahrgäste Verspätungen im Fernverkehr bis zu 50 Minuten nicht frierend ertragen mussten. Frostbeulengefahr gab es allerdings auf den Bahnsteigen beim Warten auf die Züge. Nur eine Weichenstörung am Bahnhof Nöldnerplatz meldete die S-Bahn, und die BVG fuhr fast wie im Sommer – problemlos.

Ferda Ataman, Klaus Kurpjuweit 

Ferda Ataman[Klaus Kurpjuweit]

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