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Berlin: Wintergarten verzaubert mit Tag der offenen Tür

An einem heißen Sommermittag in den dunklen Wintergarten? Warum nicht, dachten rund 300 Neugierige, die gestern beim „Tag der offenen Tür“ einen Rundgang durch das Varieté-Theater an der Potsdamer Straße machten.

An einem heißen Sommermittag in den dunklen Wintergarten? Warum nicht, dachten rund 300 Neugierige, die gestern beim „Tag der offenen Tür“ einen Rundgang durch das Varieté-Theater an der Potsdamer Straße machten. Geführt wurden die Besucher vom Chef-Zauberer Ully Loup, der auch wirklich so heißt.

„Guten Abend, sehr verehrtes Publikum“, versprach sich Ully Loup auch gleich, da der Magier mit den rheinländisch-holländischen Wurzeln stets späteres Auftreten gewohnt ist. Schon im Foyer verwies der seit acht Jahren am Wintergarten gastierende Loup auf die lange Geschichte des Hauses. Zahlreiche historische Aufnahmen an den beiden Treppen zum Rang geben Zeugnis über die Tradition des Hauses.

Zwar wurde der Wintergarten im Tiergarten erst 1992 von André Heller und Bernhard Paul gegründet. Doch die Fotos dokumentieren, wie schon 1880 an der Friedrichstraße im damaligen Central-Hotel ein glaspalastartiger Wintergarten als „jardin de plaisanterie“ eröffnet wurde, der vier Jahre später zum festen Programmtheater des Hotels gehörte. Dort traten Ende des 19. Jahrhunderts die Film-Pioniere, die Brüder Skladanowski, mit ihrem Kinematographen auf. Es folgten weitere Weltstars wie der Ausnahme-Jongleur Rastelli oder der Entfesselungskünstler Houdini. Deren Original-Requisiten aus dem Fundus des Zirkusmenschen Bernhard Paul hängen in Glasvitrinen an den beiden Seitenwänden im Innenraum des Saals.

Im Rang angekommen, wies Ully Loup auf die dunkelblaue Decke mit den vielen kleinen Lichtern. „Keine Glühbirnen, sondern 5000 leuchtende Glasfasern“, erklärte der Zauberer mit der roten Glitzerweste und dem stiefelhohen Zylinder. Auch im alten Wintergarten an der Friedrichstraße, der 1944 bei einem Bombenangriff völlig zerstört wurde und auf dessen Areal jetzt moderne Bürobauten thronen, waren die Lichter an der Decke ein Markenzeichen. Auf ein Schnippen von Ully Loup wurde die restliche Beleuchtung gedimmt; ein Gefühl eines mitternächtlichen wolkenlosen Sternenmeeres.

Nun traten auf die Bühne die eigentlichen Hauptdarsteller des Hauses: die Künstler. Die ukrainische Tänzerin Vita Radionova deklinierte den Begriff der Anatomie in atemberaubende Maße. Die Kontorsionistin – Fachbezeichnung für solch artistische Schlangenmenschen – verrenkte sämtliche Extremitäten extrem. Die Opernsängerin Nina Bubach begleitete mit dem Rapper Dr. Phil die Akrobatinnen Tanja und Friedel, die sich in zwei von der Bühnendecke herabhängende Tücher rhythmisch verwickelten. Dass ein Kopf ein sicheres Podest für einen einarmigen Handstand bilden kann, bewies die preisgekrönte Vierergruppe Atlantis.

Wer den „Tag der offenen Tür“ im Wintergarten gestern verpasst hat, kann sich aber schon mal im Kalender ein weiteres Datum eintragen. Zur „Magistrale“, der Kulturnacht an der Potsdamer Straße am 3. September, wird es wieder „kostenlose Einblicke in unser Haus geben“, versprach Beate Fasterling, die Wintergarten-Abendspielleiterin. Ob Ully Loup dann dabei sein wird, weiß er noch nicht. Er hat einen Zweitwohnsitz in Hollywood und verzaubert mehrmals im Jahr in den USA.

Alexander Schäfer

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