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Berlin: „Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen . . .“

Zwei von drei Schulabgängern erhalten eine Absage bei der Lehrstellensuche. Hoffnung bieten nur neue Berufe, etwa der des Bodenlegers

Von Claudia Keller

Berliner Schulabgänger haben es dieses Jahr noch schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden, als in den Jahren zuvor. Im Schnitt kommen auf jede Stelle drei Bewerber: 27 950 Berliner Jugendliche kämpfen dieses Jahr um 10 923 offiziell gemeldete Stellen. Ende Juli waren noch 12 291 Bewerber auf der Suche, 845 mehr als im Vorjahr zu diesem Zeitpunkt. Aber nur 3442 Stellen sind noch offen. Nur ein Viertel der Berliner Betriebe kann es sich überhaupt noch leisten, Lehrlinge auszubilden. Vor allem bei den Handwerkern ist die Zahl eingebrochen. Insgesamt stehen in Berlin dieses Jahr 1238 Ausbildungsplätze weniger zur Verfügung. In Brandenburg sieht es genauso deprimierend aus. Dort ist im Moment noch die Hälfte der Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag.

„Die Situation ist dramatisch“, sagt Klaus Pohl, der Sprecher des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg. Er hofft dennoch, dass „wir mit einem blauen Auge davonkommen“ – und dass bis Ende September nur noch 2000 Jugendliche ohne Stelle sein werden. Das wären dann genauso viele wie im vergangenen Jahr. Pohl setzt auf die so genannten Bund-Länder-Programme, die jetzt erst beginnen. Das sind Ausbildungen, bei denen der Azubi seine praktische Qualifzierung nicht in einem Betrieb erhält, sondern in einer externen Bildungseinrichtung. Mehrere tausend solcher Lehrstellen sind noch offen. Pohl rät den Schulabgängern außerdem, im Internet die Seiten der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer anzuschauen. Dort seien hunderte offener Stellen verzeichnet, die beim Arbeitsamt nicht gemeldet sind.

„Äußerst bedenklich“ findet Pohl die Tatsache, dass von Jahr zu Jahr die Zahl der „Altbewerber“ steigt. Das sind diejenigen, die nach dem Abschluss der Schule nichts finden und zum Teil schon seit fünf, sechs Jahren eine Lehrstelle suchen.

Für den stellvertretenden DGB-Landeschef Bernd Rissmann ist die Ausbildungssituation in Berlin eine „Katastrophe“. „Es ist skandalös“, so Rissmann, dass die Wirtschaft ihre Zusage im Bündnis für Arbeit nicht eingehalten habe, neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Rissmann kritisiert außerdem, dass die finanziellen Kürzungen von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) dazu geführt haben, dass im öffentlichen Dienst rund 1000 Lehrstellen wegfallen. Die Polizei beispielweise stellt dieses Jahr überhaupt keine Azubis ein, in der Senatsinnenverwaltung und in den Bezirksämtern wurde die Hälfte der Ausbildungsplätze gestrichen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit müsse die Verbesserung der Ausbildungssituation deshalb zur Chefsache erklären – „und entsprechend positiv handeln“, fordert der Gewerkschaftsbund.

Die Arbeitsämter fürchten, dass es in einigen Jahren in vielen Sparten erhebliche Engpässe geben wird, wenn nicht jetzt über den momentanen Bedarf hinaus ausgebildet wird. Denn ab 2006 kommen die geburtenschwachen Jahrgänge aus der Schule. Aber auch jetzt gibt es Branchen, denen es an Nachwuchs fehlt. Bäcker, Metzger und Hotelfachleute werden gesucht, auch Metallverarbeiter, Frisöre und Versicherungskaufleute. Hoffnung gibt es auch für diejenigen, die sich auf etwas ganz Neues einlassen wollen: Seit 1996 schaffen Kammern und Verbände jedes Jahr neue Ausbildungsberufe. Im vergangenen Jahr konnten 16 Prozent der Jugendlichen in den neuen Dienstleistungssparten Veranstaltungs-, Sport- und Gesundheitsmanagement unterkommen. Ab September diesen Jahres bilden Berliner Betriebe unter anderem erstmals Fachkräfte für Umwelttechnik und für Sicherheit (Objektschutz, Datenschutz). 20 Unternehmen suchen erstmals Lehrlinge, die Bodenleger werden wollen.

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