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Berlin: "Wir haben eben geträumt"

Schon Putzig. Als der Moderator die letzte Minute vor der Hochrechnung ansagt, gebärden sich die Genossen wie kurz vor Silvester.

Schon Putzig. Als der Moderator die letzte Minute vor der Hochrechnung ansagt, gebärden sich die Genossen wie kurz vor Silvester. Ein Glas in der Hand, ein gespanntes Lächeln auf den Lippen, den Blick auf die stumme Leinwand gerichtet. Und dann, kurz vor 18 Uhr, erscheint das erste Balken-Bild. 47 Prozent steht unter der roten Säule. Die Menge tobt. "Nein, halt, ganz ruhig! Da geht es um die Direktwahl", rufen die Besserwisser durch den Saal.

Zum Thema Ergebnisse I: Stimmenanteile und Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus Ergebnisse II: Direktmandate im Abgeordnetenhaus Ergebnisse III: Ergebnisse nach Regionen (Abgeordnetenhaus und BVV) WahlStreet.de: Die Bilanz Dann heißt es wirklich: 5, 4, 3, 2, 1 - die Prognose ist da. Die Zahlenreihe bringt für die Genossen im Atrium von DaimlerChrysler ein Wechselbad der Gefühle mit sich: Das Ergebnis der CDU wird johlend begrüßt, Häme schwappt durch die Menge. Dann die PDS: "Scheiße!", schallt es im Saal. Die Zahlen der FDP werden nur unwesentlich freundlicher aufgenommen: "Bitte, doch nicht soo viel!" Und das eigene Ergebnis? Sicher, die Menge freut sich, klatscht, schwenkt Fahnen - aber das wirkt doch alles etwas verhalten. "Och Mann, nur knapp über 30 Prozent", jammert eine Genossin. Der Mann an ihrer Seite tröstet. "Komm, das ist nicht schlecht. Wir haben eben geträumt."

Der Traum von weit über 30 Prozent. Der Traum von der rot-grünen Koalition. Er ist für die Genossen geplatzt. Doch anstatt lange zu greinen, schwenken sie rasch um auf Pragmatismus: Greifen zum Bierglas und diskutieren das Thema "Meine liebste Koalition". Ginge es nach der Basis zwischen den Biertischen, würde Berlin in der nächsten Legislaturperiode offenbar von einer Ampelkoalition regiert. Mit einem starken und zwei schwachen Partnern. "Und wenn sich einer der beiden querstellt, können wir immer noch die rote Karte ziehen", heißt es an einem Tisch.

Schon früher am Abend hat ein Gerücht die Runde gemacht: "Der große Meister kommt auch gleich." - "Wowi?" - "Ja, um halb sieben." Als dann der Regierende Bürgermeister mit Innensenator Ehrhart Körting, Parteichef Peter Strieder und Senatorin Christiane Krajeski die Bühne erklimmt, zeigen die Genossen doch noch, dass das Talent zum Feiern in ihnen steckt. Lange spricht Strieder gegen das Klatschen der Menge an. Fahnenschwenken, Jubelrufe. Die Kapelle spielt: Oh, when the saints. Jetzt redet Wowereit, und man fühlt sich, rein sprachlich, an den Anfang des Wahlkampfes erinnert. "Gemeinsam sind wir stark - und das bleibt auch so!"

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